piwik no script img

Investoren auf der Flucht

Ost-Chemie: Die qualvolle Suche nach einem Käufer für Buna kostet täglich eine Million Mark / In Leuna und Wolfen platzen Verträge  ■ Von Niklaus Hablützel

Berlin (taz) – Im ostdeutschen Chemiedreieck liegen die Altlasten nicht nur unter der Erde. Die ganze Branche ist ein Ladenhüter. Für den größten Brocken, die Buna-Werke liegt ein Konzept vor, aber noch jeder Investor – im Gespräch waren die Veba und die Eni – hat sich kurz vor Vertragsabschluß aus dem Staub gemacht. Niemand findet es offenbar lukrativ, in Schkopau Poly-Olefine zusammenzubrauen. Die Suche nach Käufern kostet täglich etwa eine Million Mark, die an Betriebsverlusten anfallen.

Das kleinste Stück des industriellen Kerns, der da um jeden Preis erhalten werden soll, schien beinahe gerettet. Aber inzwischen feilscht Treuhandchefin Birgit Breuel persönlich mit der Landesregierung von Sachsen-Anhalt um Arbeitsplätze in den Orwo-Filmwerken Wolfen. Ein internationales Konsortium hatte 1993 angeboten, das Original der Agfa-Filme weiterzuproduzieren und zunächst wenigstens 750 Arbeitsplätze zu erhalten. Aber am 28. Februar, einen Tag vor der geplanten Unterzeichnung des Vertrags, platzte die Privatisierung. Ein Investor aus Saudi-Arabien war ausgestiegen, schon zuvor hatte sich die Übernahmegruppe über ihr eigenes Konzept zerstritten.

Noch mehr Arbeitsplätze, nämlich 7.000, stehen auf dem Spiel in den Leuna-Werken. Die Thyssen- Handelsunion hat schon mal Erschließungsstraßen angelegt; die Düsseldorfer sind auch noch bereit, eine Erdöl-Raffinerie mit einer Jahreskapazität von 10 Millionen Tonnen auf die grüne Wiese zu stellen. Aber der Partner, die französische Elf-Aquitaine hat kein Interesse mehr, seit sie ihrerseits in die Privatisierung entlassen wurde. Der neue Elf-Chef Philipe Jaffré möchte die lukrative Minol-Tankstellenkette behalten, die Beteiligung an der Raffinerie aber auf einen symbolischen Anteil begrenzen – soviel wie nötig, um wenigstens den Anschein der Vertragstreue aufrechtzuerhalten: Die staatliche Elf hatte die ostdeutschen Tankstellen nur gegen die Zusage erhalten, eben jene Chemiearbeitsplätze zu sichern, die der privaten Elf zu teuer sind.

Eine russische Firma namens Rosneft ist bereit, den Franzosen zu helfen. Ein Vertrag sei „praktisch abgeschlossen“, ließ Jaffré in dieser Woche verlauten, Rosneft wolle 25 Prozent der Elf-Anteile an der Leuna-Raffinerie übernehmen. Jaffré stünde nur noch mit 46 Prozent in der Pflicht. Treuhanddirektor Klaus Schucht griff den Strohhalm auf und belehrte die Leser der französischen Zeitung La Tribune in einem Interview umgehend darüber, daß Elf nun nicht mehr daran denke, das Projekt zu verlassen.

Das Gegenteil trifft weit eher zu. Jaffré versucht nicht nur, den Vertrag mit der Treuhand umzuschreiben, sondern auch die Vereinbarung mit der Thyssen-Handelsunion loszuwerden. Aus gutem Grund: Die westdeutschen Raffineriebauer ließen sich in das Leuna-Konsortium nur mit der Option locken, ihren 33-Prozent- Anteil an den Partner verkaufen zu können, sobald die Raffinerie steht. Für den Bau stehen Subventionen des Landes Sachsen-Anhalt auf Abruf bereit, für das Öl nicht – das Betriebsrisiko geht mit der Verkaufsoption voll auf die Franzosen über. Aber Jaffré will nicht mehr mitspielen, er sucht einen Käufer, der ihm schon jetzt verspricht, die Anfang 1997 fällige Thyssen-Option zu übernehmen.

Interessenten für dieses Risiko- Splitting sind nicht in Sicht, zumal Elf bislang nicht erkennen läßt, seine Partner an den Tankstellen zu beteiligen. Auch die Treuhand winkt ab, anders als im Fall der Kali-Fusion oder der Eko-Privatisierung komme eine staatliche Beteiligung nicht in Frage. Eine Zusage an Elf könnte eine ganze Welle von Rückverkaufswünschen klammer Investoren auslösen, fürchtet die Treuhand. Aber die Zeit drängt. In „maximal zwei Monaten“, sagt Treuhanddirektor Schucht, „muß alles geregelt sein“ – dann nämlich verfällt die Subventionszusage des Landes.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen