Interview: "Kakerlaken gibt es auch in Restaurants"
Dass in der Motardstraße menschenunwürdige Zuständen herrschen sollen, sei Unsinn, sagt Horst Renner. Der 78-jährige ehrenamtliche Mitarbeiter der Arbeiterwohlfahrt (AWO) ist für das Asylbewerberheim zuständig
taz: Herr Renner, was sagen Sie zu dem Vorwurf, in der Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in der Motardstraße in Spandau würden menschenunwürdige Zustände herrschen?
Horst Renner: Das stimmt nicht. Die Einrichtung wird überprüft von der Heimaufsicht des Senats und vom Gesundheitsamt Spandau. Wenn etwas beanstandet wird, dann sind das sehr kleine Dinge.
Die Kritiker sprechen vom schlimmsten Lager Berlins. Zum Beispiel gebe es dort Kakerlaken.
In einem Heim wird man nie verhindern können, dass so etwas mal passiert. Das kommt in den besten Restaurants vor. Wir haben eine Firma unter Vertrag, die sofort Gegenmaßnahmen ergreift, wenn sich mal etwas zeigen sollte. Die Gemeinschaftsräume werden regelmäßig von einer Firma gesäubert, auch an Feiertagen. Die Leute sollen sich wohl fühlen. Es gibt ja auch Nationalitäten, die nicht gewohnt sind, auf ein Toilettenbecken zu gehen, sondern auf ein Stehklo. Dadurch haben wir mehr Reinigungsaufwand.
Wie erklären Sie sich dann die Kritik?
Die Kritik erfolgt aus politischen Gründen. Die Gruppen vertreten die Auffassung, jeder Mensch, der nach Berlin kommt, habe Anspruch auf eine eigene Wohnung und könne zum Sozialamt gehen.
Der AWO wird vorgeworfen, Profit mit dem Heim zu machen.
Auch das ist Unsinn. Der Tagessatz wird vom Senat festgelegt. Als gemeinnütziger Verein dürfen wir gar keinen Profit machen. In so einem Fall würde die AWO sofort die Gemeinnützigkeit verlieren. Nicht umsonst arbeiten wir mit so vielen ehrenamtlichen Kräften.
Trifft es zu, dass aus dem Heim ein Ausreisezentrum werden soll?
Nein. Die Menschen sind dort etwa drei Tage. Einige auch drei Monate, aber das sind die wenigsten. Danach werden die Leute in andere Bundesländer verlegt oder in andere Einrichtungen.
Es sollen auch schon Abschiebungen aus der Motardstraße erfolgt sein.
Das hat es schon gegeben, aber das entzieht sich unserer Einflussnahme. Gemessen an dem starken Durchlauf, den wir haben, sind die Zahlen der Abschiebungen aber sehr gering.
Das Heim liegt in einem unwirtlichen Industriegebiet.
Dahinter stecken keine bösen Absichten. Die Entscheidung für das Gelände hat der Senat getroffen. Die Gebäude sind 1989 errichtet worden, als der starke Flüchtlingszustrom einsetzte.
Wann waren Sie das letzte Mal in der Motardstraße?
Am Dienstag. Ich fahre jeden Dienstag dorthin.
Haben Sie das Gefühl, dass sich die Bewohner in der Einrichtung wohl fühlen?
Durchaus. Wir haben zu vielen einen guten Kontakt. Wir bieten auch persönliche Hilfe durch Sozialarbeiter, eine Kinderbetreuung und Deutschunterricht an. Es kommt immer wieder vor, dass anerkannte Asylbewerber in das Heim zurückkommen, obwohl sie eine Wohnung beziehen könnten. Sie suchen die Nähe zu ihren Landsleuten.
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