piwik no script img

Interview"So eine geniale Anlage gibt man nicht einfach auf"

Der Gründer und Präsident der Icat, Bernhard Liscutin, kämpft seit zwölf Jahren für den Erhalt von Tempelhof als ganz normalen Verkehrsflughafen.

taz: Herr Liscutin, zwei Wochen vor Ablauf der Frist haben über 174.000 Berliner Bürger das Volksbegehren unterschrieben. Haben Sie zu Beginn damit gerechnet?

Bernhard Liscutin: Wir haben die "Grenze" viel schneller überschritten, als wir in unserer Zuversicht erwartet hatten. Wir wussten, dass es ein schweres Stück Arbeit werden würde, 170.000 Berliner Wahlberechtigte zu veranlassen, in den Bürgerämtern ihre Unterschriften zu leisten. Nach den Ergebnissen vieler Umfragen der letzten Jahre waren wir dennoch zuversichtlich, es schaffen zu können.

Die Kampagne ist stark von FDP und CDU geprägt. Die Icat selbst versteht sich aber als überparteiliche Interessensgemeinschaft. Wie passt das zusammen?

Wir können die CDU und andere nicht daran hindern, sich verbal für unsere Ziele einzusetzen. Für den Volksentscheid werden wir unsere Aktion mit unserem Ziel, in unserem Stil, fortsetzen.

Sie emanzipieren sich dann von der CDU?

Das brauchen wir nicht. Wir haben niemals parteipolitisch, sondern immer rein sachlich argumentiert: den Verkehrsflughafen Tempelhof in seinem gegenwärtigen Funktionszusammenhang als Ergänzung zu BBI zu erhalten.

Werden Sie dann auch verraten, wie viel Ihre Kampagne kostet und wer sie bezahlt?

Es gab bisher keine gesetzliche Grundlage, die Spender zu nennen. Ich kann aber versichern, dass keiner unserer Spender irgendwie geartete wirtschaftliche Interessen an der Gebäudeanlage oder dem Flughafen oder persönliche Gründe hat.

Das kann man glauben oder nicht.

Das ist so.

Aber transparent ist es nicht.

Bisher hat es keinen der 170.000, die unterschrieben haben, gestört und keiner von uns wissen wollen, wie wir die Werbung für das Volksbegehren finanziert haben. Erst jetzt, wo es ein Erfolg zu werden scheint, fordert man von uns, unsere Finanzierung offenzulegen.

Um den Volksentscheid zu gewinnen, brauchen Sie über 600.000 Befürworter. Womit wollen Sie die überzeugen?

Wir werden in der Sache argumentieren und das Potenzial Tempelhofs als Ergänzung zu Berlin-Brandenburg International herausstellen.

Bisher macht der Flughafen Tempelhof zehn Millionen Euro Verlust im Jahr. Wie viele Flugzeuge müssten denn pro Woche starten und landen, damit sich Tempelhof als Geschäftsflughafen rentiert?

Wer spricht denn von einem Geschäftsflughafen? Wir wollen Tempelhof als Verkehrsflughafen erhalten, der auch wie bisher für den innerdeutschen und zentraleuropäischen Regionalflugverkehr bereitsteht mit 50.000 Flugbewegungen pro Jahr.

Das hieße 137 Starts und Landungen jeden Tag, von 6 bis 22 Uhr - eine Zumutung für die Anwohner!

Das wäre dieselbe Anzahl Flugbewegungen, die wir in Tempelhof jeweils im Jahr 1993 und 1994 im Linienverkehr hatten. Als wir uns als Icat gründeten, haben wir eine repräsentative Umfrage unter den Bürgern durchführen lassen, die östlich und westlich der Flugschneise wohnen. Damals haben 91 Prozent der Bürger angegeben, sie würden sich durch den Flughafen nicht gestört oder gefährdet fühlen. Und von diesen haben 63 Prozent sogar gesagt, Tempelhof soll erhalten bleiben. Ich selbst habe bis 2007 in der Warthestraße in Neukölln in einer Dachgeschosswohnung gewohnt. Und der Flugbetrieb hat mich nicht gestört.

Jetzt wohnen Sie wieder in Duisburg. Warum stellt sich ein Duisburger an die Spitze einer Berliner Bürgerinitiative und kämpft für den Erhalt des Flughafens Tempelhof?

Als Direktor der Sabena Airlines für Berlin und die Neuen Bundesländer entschied ich mich 1990 für Tempelhof als Anflughafen. Ich kannte den Flughafen damals nicht. Bei der ersten Besichtigung war ich fasziniert von der genialen Architektur des Gebäudes. Bereits im Dezember 1990 hat die Sabena ihr Büro am Kurfürstendamm aufgegeben und ist nach Tempelhof gezogen.

Nun sind Sie aber seit acht Jahren pensioniert.

Tempelhof ist eine Verkehrsanlage, die noch heute an der Spitze der Funktionalität steht. So eine Anlage gibt man nicht einfach auf.

Und wenn der Volksentscheid scheitern sollte?

Dann akzeptiere ich das. Das ist Demokratie.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!