Interview: "Die Mauer war lange ein Mauerblümchen"
Seit 2006 restauriert die Knobelsdorff-Schule die Berliner Stadtmauer, erzählt Lehrer Wolfgang Kaleß. Den Schülern mache das großen Spaß.
taz: Herr Kaleß, was interessiert Ihre Schüler an der Erforschung der alten Stadtmauer?
Wolfgang Kaleß: Die Knobelsdorff-Schule ist ein Oberstufenzentrum für Bauwesen. Unser Profil ist die Bauwerkerhaltung und Denkmalpflege. Bei uns werden Schüler unter anderem zum "Technischen Assistenten für Denkmalschutz" - aber auch Maurer, Tischler, Zimmerer sowie vier andere Bauberufe - ausgebildet. Wir legen großen Wert darauf, die Jugendlichen für die Belange der Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege zu sensibilisieren. Das trägt Früchte und macht den Schülern großen Spaß.
Und warum speziell mit der alten Stadtmauer?
Die Knobelsdorff-Schule restauriert diese Stadtmauer. 2005 ist der Verein "Denk mal an Berlin" an uns herangetreten und hat uns als Partner für die Restaurierung gewinnen können. Die Mauer gab damals ein ziemlich heruntergekommenes Bild ab. 2006 haben wir mit der Reinigung der Mauer von Mörtel-, Gips- und Zementresten begonnen. Später sanierten Maurerlehrlinge die Mauerkrone. Jetzt zum Tag des offenen Denkmals am Samstag werden die Fugen mit Kalk restauriert, der nach mittelalterlichen Verfahren hergestellt wird.
Mit wem haben Sie und die Schüler zusammengearbeitet? Allein werden sie wohl nicht daran herumgekratzt haben.
Natürlich nicht! Das geschah alles in Kooperation mit dem Denkmalamt und anderen Behörden.
Was hat die Mauer zu erzählen?
Eine - zugegeben etwas ungewöhnliche - Geschichte ist die des Mauerfarns: Es gibt dort diese Pflanze, die unter Naturschutz steht. Bei den Arbeiten an der alten Stadtmauer durfte der Mauerfarn nicht einfach rausgerissen werden wie Unkraut, sondern sollte ausgesprochen vorsichtig behandelt werden. Das Kraut hat die Schüler gleich mehrfach motiviert. Sie untersuchten und inventarisierten den Bewuchs. Dann fingen die Porzellanmaler an sich für die "Mauerblümchen" zu interessieren. Es wurden Studien der Pflanzen und Blumen angefertigt. Schließlich entstand daraus gemeinsam mit der Königlichen Porzellan Manufaktur sogar ein neues Service. Der Erfolg hat die Schüler natürlich begeistert.
Warum wird die alte Mauer eigentlich so marginal in der Denkmallandschaft Berlins behandelt?
Die Mauer führte in der Tat lange ein Mauerblümchen-Dasein. Es gibt ja nur noch den Rest nahe der Klosterkirche. Zu DDR-Zeiten wurden Teile davon kurzfristig saniert. Davon sieht man die Großräschener Ziegel. Weiter ist so gut wie nichts passiert. Jetzt beschäftigt sich die Bauforschung damit. Sie hat etwa Spuren sogenannter Wiekhäuser [Wehrtürme, d. R.] entdeckt - eine kleine Sensation. Seit Kurzem steht die Stadtentwicklung des Klosterviertels im Fokus des Interesses. Und das tut auch der Mauer gut. INTERVIEW:
ROLF LAUTENSCHLÄGER
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