Interview: „Die Tore kommen dann von selbst“
■ Hollands Trainer Frank Rijkaard über schönes Spiel und die deutsche Mannschaft
taz: Herr Rijkaard, Ihr Team war der deutschen Nationalmannschaft zunächst dramatisch überlegen. Wollten Sie nach der Pause gnädig sein?
Frank Rijkaard: Nein, wir haben auswechseln müssen, und das hat das Spiel beeinflußt. Trotzdem hatten wir zum Ende des Spiels wieder deutliche Vorteile.
Ärgern Sie sich nicht darüber, daß Ihre Spieler allein in der ersten Halbzeit dreimal frei vor dem Tor waren und keinen weiteren Treffer erzielt haben?
Für mich ist viel wichtiger, daß unser Fußball gut aussieht. Wir wollen eine gute Raumaufteilung haben, den Ball laufen lassen und das Spiel dominieren. Das ist das Wichtigste. Die Tore kommen dann schon, das ist kein Problem.
Frank Rijkaard (36) bestritt 73 Länderspiele für die Niederlande und wurde 1988 Europameister. 1995 beendete er seine Karriere als Spieler, während der er sowohl mit dem AC Mailand als auch Ajax Amsterdam den Europacup der Landesmeister gewann. Nach der WM wurde Rijkaard überraschend als Nachfolger von Guus Hiddink, dessen Assistent er vorher war, zum Bondscoach berufen. Foto: Reuters
Auch beim vorletzten Testspiel gegen Peru hat Ihre Mannschaft in der ersten halben Stunde ähnlich gut gespielt wie jetzt in Gelsenkirchen und dann deutlich nachgelassen. Ist Ihr Anfangstempo zu hoch?
Nein, aber Sie dürfen nicht vergessen, daß viele meiner Spieler in Spanien, England oder Italien in sehr anspruchsvollen Ligen spielen. Das kostet Kraft.
Sie sind also der Ansicht, auf dem Niveau der ersten Halbzeit könnte Ihre Mannschaft auch 90 Minuten lang spielen?
Ja, sicher.
Es heißt immer, daß Holland mit einer Viererkette in der Abwehr spielt. Gegen Deutschland hat sie allerdings nie Aufstellung genommen. Meistens rückte neben den beiden Innenverteidigern nur einer der beiden Defensivspieler auf den Außenbahnen in die Kette.
Das liegt am großen Unterschied zwischen dem, wie man eine Aufstellung zu Papier bringt, und wie dann wirklich gespielt wird. Wenn ich vier Verteidiger habe, aber nur einen gegnerischen Stürmer, dann greifen die drei freien Verteidiger auch mit an. Wir können alle Fußball spielen, auch die Verteidiger. Darin liegt die Kraft des niederländischen Fußballs. Alles fängt mit den individuellen Fähigkeiten der Spieler an, aber dann braucht man auch eine gute Organisation des Spiels. Nur mit Technik kommt man nicht weit.
Lag es an der Laufbereitschaft oder der Raumaufteilung, daß Ihre Mannschaft über weite Strecken der Partie in Überzahl am Ball war?
Das ist eine Frage der Organisation. Wir wollten die deutsche Mannschaft nicht in unseren Strafraum kommen lassen, weil wir wußten, daß wir dadurch Probleme bekommen würden. Außerdem kann eine deutsche Mannschaft auch durch lange Pässe aus dem Mittelfeld gefährlich werden. Und das haben wir mit unserem Pressing teilweise sehr gut unterbunden.
Was für einen Eindruck hatten Sie von der deutschen Mannschaft?
Ich glaube, daß sie sehr motiviert war...
...trotzdem hat Oliver Bierhoff in der ersten Halbzeit einen „Klassenunterschied“ zwischen der deutschen und der niederländischen Mannschaft diagnostiziert.
Das gilt vielleicht für den Moment. Aber die deutsche Mannschaft hat sehr gut reagiert, sie hat viel Kraft und Energie aufgewandt. Und Herr Ribbeck fängt doch gerade erst an, ein neues Team aufzubauen.
Herr Rijkaard, Sie sind fast noch höflicher, als der Fußball Ihrer Mannschaft schön anzuschauen ist.
Aber ich meine es wirklich so. Interview: Ch. Biermann
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