Interview zur Krise in Bangkok: "In Thailand herrscht Klassenkampf"
Der Politikwissenschaftler Giles Ji Ungpakorn hofft, dass einige Offiziere die Seiten wechseln und einen grundlegenden Wandel in Thailand herbeiführen.
taz: Herr Ji Ungpakorn, ausgelöst wurden die Unruhen am Sonntag durch Angriffe von Blauhemden auf die Demonstranten. Wer sind die Blauhemden?
Giles Ji Ungpakorn: Man nimmt an, dass viele von ihnen Soldaten sind. Es sind irreguläre Kräfte. Hinter ihnen steckt Newin Chidchob, ein Wendepolitiker, der dem derzeitigen Premierminister Abhisit Vejjajiva im Dezember letzten Jahres gemeinsam mit der Armee an die Macht geholfen hat. Er wurde in Pattaya im blauen Hemd fotografiert.
Gibt es Kräfte im Militär, die den unfairen Kampf zwischen Demonstranten und Elitesoldaten beenden könnten?
Es ist sehr wahrscheinlich, dass viele niedrigere Dienstgrade innerhalb der Streitkräfte mit den Rothemden sympathisieren. Es ist schwer für Soldaten zu rebellieren, aber wenn sie das Gefühl haben, dass die Rothemden eine Chance haben zu gewinnen, dann werden wir vielleicht sogar auch einige höhere Offiziere sehen, die die Seiten wechseln.
GILES JI UNGPAKORN, 54, Politikwissenschaftler aus Bangkok, ist im Exil in Oxford. Er wird wegen Majestätsbeleidigung verfolgt.
Ist dies der Beginn eines Bürgerkrieges oder eines Aufstandes, wie wir es im Süden des Landes erleben?
Ich denke nicht, dass es eine Guerillabewegung wie im Süden des Landes geben wird, weil die Rothemden keine Minderheit, sondern die Mehrheit sind. Es wird eine offene Bewegung geben. Wir sind heute wieder in einem Klassenkampf.
Es sind die Landbevölkerung und die Armen, die die Bewegung tragen - eine Bewegung von unten, die die Privilegierten angreift. Wenn sie gewinnen, dann gibt es eine echte Chance für grundlegende Änderungen in Thailand. Ein Ende der stillen Diktatur durch den Palast und die Armee.
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