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Interview zu Polens Haltung zum BdV"Bund der Vertriebenen ist lächerlich"

Die Angst vor dem BdV ist in Polen verschwunden, sagt der Deutschland-Experte Bartosz Wielinski. Denn man weiß, wie gering sein Einfluss heute ist.

Kann die Polen nicht mehr schockieren: Berufsvertriebene Erika Steinbach. Bild: dpa
Interview von Gabriele Lesser

taz: Herr Wielinski, in Deutschland hat die Entsendung zweier Vertreter des Bundes der Vertriebenen in den Stiftungsrat der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung neuen Streit ausgelöst. Interessiert das in Polen?

Bartosz Wielinski: Um ehrlich zu sein: wenig. Wir sehen die Stiftung inzwischen als rein deutsche Angelegenheit. Die Vertriebenen sind seit gut einem Jahr kein Thema mehr in Polens politischer Debatte. Das ist vorbei.

Die Angst vor den Vertriebenen ist also verschwunden?

Vollständig. Vor unserem Beitritt zur EU drohte uns Erika Steinbach als Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen mit einem Veto in Brüssel. Wir würden angeblich permanent die Menschenrechte verletzen. Erst wenn wir die Eigentumsforderungen der Vertriebenen und deren Recht auf Rückkehr akzeptieren würden, dürften wir EU-Mitglied werden. Das hat uns damals tief getroffen. Die Grenzen schienen noch nicht sicher zu sein. Wir wussten nicht, wie groß der Einfluss des BdV in der deutschen Politik tatsächlich ist, und hatten daher Angst, dass sich die deutschen Vertriebenen zu einem riesigen Problem auswachsen könnten. Das ist aber nicht geschehen.

BARTOSZ WIELINS

Wielinski, 32, ist EU-Redakteur und Deutschlandexperte von Polens größter Tageszeitung, der "Gazeta Wyborcza" in Warschau. Wielinski lebte von 2005 bis 2009 als Deutschlandkorrespondent für seine Zeitung in Berlin.

Nach dem EU-Beitritt hatten viele Polen aber immer noch Angst vor den Vertriebenen. Warum?

Da war auch viel Hysterie im Spiel. Einst wollte der BdV unseren EU-Beitritt verhindern, jetzt will er ein provinzielles Museum am Rande des Berliner Zentrums bauen. Und in Deutschland streitet man sich über Leute, die kein Mensch kennt. Das zeigt, wie lächerlich der BdV geworden ist. Die Polen sind auch klüger geworden. Wir wissen, dass der BdV nur ein kleiner Verband ist, der so tut, als wäre er ein großer. In Polen macht sich heute kaum noch jemand Sorgen wegen der Vertriebenen.

Hat das Urteil in Straßburg zur Beruhigung beigetragen? Die Richter hatten den Eigentumsforderungen der Vertriebenenorganisation Preußische Treuhand eine klare Abfuhr erteilt.

Ja, das Urteil war ein Meilenstein: "Es besteht keine rechtliche Grundlage für Eigentumsforderungen." Das war wie ein Befreiungsschlag. Damit war dann auch die leidige Menschenrechtsfrage vom Tisch. Uns wurde klar, dass wir auch in der EU nichts von den deutschen Vertriebenen zu befürchten haben. Das war sehr wichtig.

Jetzt behaupten Arnold Tölg und Hartmut Saenger, die den BdV im Rat der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung vertreten, Polen würde Mitschuld am Zweiten Weltkrieg tragen und die deutsche Entschädigung an Zwangsarbeiter wäre ein Fehler gewesen - widerspricht das nicht dem Gedanken der Versöhnung?

Das muss der Bundestag entscheiden. Er hat diese Leute in den Stiftungsrat gewählt und trägt daher auch die volle Verantwortung. Vertreter der braunen Szene in Deutschland werden wegen ähnlicher Äußerungen geächtet. Wenn der Bundestag aber meint, dass diese beiden Männer den Versöhnungswillen des Bundestages in der Stiftung gut repräsentieren, dann ist das eben die neue deutsche Politik. Die Konsequenzen aus dieser Fehlentscheidung, wie ich finde, muss am Ende der Bundestag tragen.

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12 Kommentare

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  • B
    BEM

    Tja, wer lesen kann ist klar im Vorteil. Herr Wielinski freut sich nicht über die Aussetzung der Menschenrechte für die Heimatvertriebenen (was ja ohnehin nicht möglich wäre) sondern viel mehr darüber, dass der BdV nicht mehr behaupten kann, Polen würde die Menschenrechte verletzten bzw. dass der BdV diesbezüglich keine Klage anstrengenen kann weil der Vorwurf vom Tisch ist.

     

    Aber Faschisten und Rassisten interpretieren ja ohnehin immer alles derart, dass es in ihr braunes Weltbild passt.

  • I
    Iodocus

    Wer sich über das Aussetzen der Menschenrechte für bestimmte Gruppen, hier die dt. Heimatvertriebenen, freut, hat offenbar ein Problem mit der Objektivität. Geteiltes Menschenrecht ist abgrundtiefe Inhumanität, und das ganz unabhängig davon, wen sie trifft.

  • PD
    Polnischer Deutscher

    Mit den beiden Herren im Stiftungsrat diskreditiert sich der BdV mal wieder selber und zeigt wie seine Führungsschicht das Leiden der eigenen Leute vor den Karren von Nationalisten und Faschisten spannt. Wie soll mit diesen Leuten eine würdige Erinnerung an Flucht und Vertreibung im Geiste der Versöhung möglich sein?

     

    Es gilt den BdV und die Stiftung zu boykottieren und stattdessen deutsch-polnische(-tschechische)Initativen zu unterstützten die sich der gemeinsamen Vergangenheit auch in aller Ehrlichkeit mit gegenseitigem Respekt stellen. Darunter gibt es auch etliche deutsche und polnische Vertriebene und Kriegsopfer die sich dabei engagieren.

     

    Eine versöhnliche Erinnerungskultur zwischen Polen und Deutschen ist möglich. Jedoch nicht mit Leuten wie Frau Steinbach und Herr J. Kaczysnki oder dem ganzen Nationalisten-Pack das hier und anderswo mit polskaweb-Links geistige Brandstiftung betreiben will. Solches Gesindel muss endlich weg von der politischen und öffentlichen Bühne.

  • J
    Jussuf

    Was soll denn die Verlinkung zu Polskaweb in dem einen Kommentar? Hab das grad angelesen, und finde es widerwärtig, wie sich eine offensichtlich propagandistisch und rechts bemühte Website zu diesem Thema äußert. Dümmlich, dreist und das als erklärte Stimme Polens? ..

     

    Hab da kurz gegoogelt und Querverweise in altermedia und ähnlichen Seiten zurückbekommen. Lustigerweise sind Betreiber / Inhaber und Standort der Webseite offensichtlich sämtlich in Deutschland.. sowas!

  • J
    Jna

    Zu Polskaweb: antipolnische, antisemitische und ausländerfeindliche Internetseite. Mit so einer Quelle sagt man mehr über sich und seine Gesinnung aus als über das eigentliche Thema.

  • D
    Danziger

    Lustig, entweder tummeln sich hier viele bdv-Propagandisten oder es herrschen tatsächlich bei "normalen" Lesern noch gewisse Ressentiments gegen Polen, die durch nationale Verblendung gespeist sind.

     

    Tatsache ist der BDV und seine Forderungen sind lächerlich, die Leugnung seiner NS-Vergangenheit und die mangelnde Distanz zu der nationalistischen Ideologie entziehen ihm die Legitimation. Alleine die Tatsache, dass Frau Steinbach als Tochter von Besatzern sich als Vertriebene bezeichnet und ihnen vorsteht, spricht Bände.

     

    Die Flucht und Vertreibung isoliert zu erwähnen ohne sie in ihrem Zusammenhang zu Krieg, Massenmord und Faschismus zu behandeln ist lächerlich. Da zeugt es von politischer Reife in Polen den BDV zu ignorieren.

     

    Außerdem verkennt man die polnische politische Landschaft, wenn nur Kaczynski und Konsorten mit ihrer dämlichen anti deutschen Hetze als Sprachröhre der öffentlichen politischen Meinung wahrgenommen werden. Das ist so als ob Polen nur die CDU und NPD als Wortführer der deutschen Öffentlichkeit betrachten würden. Idioten gibt es schließlich auf beiden Seiten der Grenze...

  • W
    Waage

    In der Sache hat Herr Wielinski sicherlich recht, ich finde seine Tonart wirkt aber etwas zu auftrumpfend. Es geht bei der Vertriebenenproblematik ja nicht darum, die andere Seite schachmatt zu setzen sondern das Anliegen der anderen ernst zu nehmen. Das der BdV in in der Nachkriegszeit übergangslos in schräge, zum Teil rechtspopulistische Fahrwasser geraten war kann nicht zuletzt als unglücklicher Versuch der Vertriebenen gedeutet werden, sich gegenüber ihrer glücklicheren aber weitgehend gleichgültigen Mitbürger überhaupt Gehör zu verschaffen.

  • F
    Frank

    "Das war wie ein Befreiungsschlag. Damit war dann auch die leidige Menschenrechtsfrage vom Tisch"

     

    Man vertreibt Millionen Menschen und dann solche Sprüche, die man sich erst mal auf der Zunge zergehen lassen muß.

     

    Die Konsequenzen sind in Marienburg und hier zu sehen:

    http://polskaweb.eu/die-deutsch-polnische-versoehnung-im-realitaet-7652.html

  • W
    witzig

    Wie wär es denn mit der Frage gewesen, ob Deutschenfeindlichkeit in Polen eine Rolle gespielt hat?

  • E
    Eisvogel

    Lächerlich, unwichtig, irrelevant...

     

    Das ist keine Auseinandersetzung mit dem Thema, sondern ein Wegschieben. Wenn der (sicherlich kritisable) Verband so unwichtig ist, wieso ist er dann gleichzeitig quasi mit dem Thema an sich gleichzusetzen? Weil die Vertreibungsgeschichte damit praktischerweise auch nicht mehr der Rede wert ist?

  • RW
    Rainer Wulff

    wer sich für mehr Informationen über die unsägliche Vergangenheit und die anhaltende Geschichtsverdreheung seitens des Bund der Vertriebenen (BdV)interessiert, der sei auf einen sehr informativen Artikel aufmerksam gemacht, zu finden auf:

    http://aka.blogsport.de/2010/08/05/65-jahre-charta-der-vertriebenen/

     

     

    Die Freunde und Freundinnen der vermeinlich "deutschen" Ostgebiete versuchen zwar stetig ihre braune vergangenheit (Elite des NS) zu vertuschen, ihre unsäglichen Positionen und die andauernden Relativierungen und Verdrehungen der Geschichte möglichst wissenschaftlich darzustellen, de facto lügen und vertuschen sie, um ein saubere Image zu bewahren.

  • U
    Uticensis

    Wenn ein polnischer Deutschlandkenner so verächtlich spricht, dann ist das kein gutes Zeichen für die - auch emotionale - Verständigung zwischen Deutschland und Polen. Um wieviel herzlicher, verständiger und sympathiegetragener ist heute unser Verhältnis zu Frankreich. Mit Polen wird man auf absehbare Zeit Vergleichbares auf politischer Ebene nicht erreichen können. Es ist wohl auch leichter, mit einem selbstbewussten Nachbarn wie Frankreich umzugehen als mit Polen, das aus seiner Opferneurose nicht herauskann. Erfahrungen mit polnischer Humorlosigkeit, die im Zusammenhang damit steht, hat ja auch die taz schon gemacht.

     

    Hoffnung auf Verständigung gibt es nur - aber immerhin - auf zwischenmenschlicher Ebene, wo nicht "politisch" gedacht wird. Solche Begegnungen finden ja vielfältig statt.

     

    Tragisch ist auch, dass die besagte polnische Haltung sich immer wieder selbst bestätigt: Weil auch Russland nicht so auftritt und Verächtlichmachung gar nicht nötig hat (obwohl doch Russland und Deutschland sich mit noch größerer Vehemenz feindlich gegenüberstanden), ist Nähe zwischen Deutschland und Russland viel leichter. Wie das auf politischer Ebene in Polen interpretiert wird, ist ja bekannt.