Interview über Finanzbedarf: "Keine Justizministerien mehr"
Christoph Frank, Vorsitzender des Deutschen Richterbunds, will die Auswahl und Geldmittel von Richtern neu regeln.
taz: Herr Frank, am Wochenende diskutierten Richter, Politiker und Wissenschaftler in Frankfurt über Ihre Forderung nach einer Selbstverwaltung der Justiz. Warum ist das nötig?
Christoph Frank: Die Unabhängigkeit der Richter erfordert auch eine strukturelle Unabhängigkeit der Justiz. Bei der Benennung und Beförderung von Richtern dürfen sachfremde Aspekte keine Rolle spielen. Außerdem ist die Funktionsfähigkeit der Justiz gefährdet, wenn Gerichte und Staatsanwaltschaften zu wenig Mittel erhalten.
Wie soll eine Selbstverwaltung aussehen?
Wir wollen, dass der Finanzbedarf der Justiz künftig von einem Justizverwaltungsrat festgestellt wird. Dieses Gremium soll auch die Richter auswählen. In diesem Rat sollen nur Richter und Staatsanwälte sitzen.
Wollen Sie damit das Justizministerium abschaffen?
Zumindest für diese beiden Aufgaben der Auswahl und Mittelvergabe brauchen wir dann keine Justizministerien mehr.
Aber würde so nicht die Justiz ein Staat im Staate?
Nein, sie muss demokratisch verankert bleiben. Das erreichen wir, indem die parlamentarischen Abgeordneten bei der Wahl der Mitglieder im neuen Justizverwaltungsrat mitwirken - sie können die Mehrheit der Stimmrechte bekommen. Wichtig ist aber, dass die eigentlichen Entscheidungen dann von den gewählten Richtern und Staatsanwälten im Justizverwaltungsrat getroffen werden. So verbinden wir demokratische Legitimation mit Sachnähe und Unabhängigkeit.
Und die Justiz kann dann künftig ganz selbstbestimmt beschließen, wie viel Geld ihr aus dem Staatshaushalt überwiesen wird?
Natürlich nicht. Die konkrete Entscheidung über den Staatshaushalt und seine Prioritäten muss weiterhin das Parlament treffen. Wir wollen aber, dass die Justiz direkt mit den Abgeordneten verhandelt und kein Ministerium dazwischengeschaltet ist.
Warum glauben Sie, dass selbstverwaltete Richter mehr für die Justiz erreichen können als ein politisch verankerter Justizminister?
Wenn die Justiz selbst ihren Bedarf anmeldet, dann wird dies zu einer transparenteren Debatte führen. Solche Fragen sollten nicht im Hinterzimmer entschieden werden.
Aber warum sollten die Abgeordneten dadurch plötzlich der Justiz mehr Geld geben? Bildungsetats gelten im Moment als viel populärer.
In anderen europäischen Staaten funktioniert das. Ich bin sicher, dass auch wir das Parlament von der besonderen Bedeutung der Justiz überzeugen können. In immerhin 23 von 27 EU-Staaten gibt es die Selbstverwaltung der Justiz. Deutschland sollte seine Sonderrolle aufgeben.
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