Interview mit grünem Umweltsenator: "Schwarz-Grün ist ein Medienhype"
Ein Bündnis dürfe nicht mit Emotionen aufgeblasen werden, sagt der Bremer Umweltsenator Reinhard Loske. Der Grüne rät den Hamburger Koalitionspartnern zur Sachlichkeit.
taz: Herr Loske, sind Sie neidisch auf die Hamburger Grünen, die jetzt viel mehr Aufmerksamkeit für Schwarz-Grün erhalten als Sie für Rot-Grün?
Reinhard Loske: Neid gehört nicht zu meinem Verhaltensrepertoire. Ich freue mich, dass demnächst beide großen Hansestädte in Deutschland von den Grünen mitregiert werden. Und ich freue mich, auf Ministertreffen nicht mehr der einzige Grüne zu sein und gemeinsam mit den Hamburgern Initiativen zum Klima- und Küstenschutz anstoßen zu können.
Sie sagen, Rot-Grün sei kein Projekt mehr, sondern eine normale Koalition. Die Wähler scheinen anders zu denken.
Wahr ist, dass die SPD für viele unserer Wähler die zweite Präferenz ist. Wir sind aber hier in Bremen trotzdem gut damit gefahren, die Koalition nicht mit emotionalen Energien aufzublasen. Das erste Jahr unserer Koalition ist gut gelaufen, wir arbeiten sachorientiert und alles in allem kooperativ. Partner in der Koalition, Konkurrenten um Wählerstimmen, so geht es hier mit der SPD - und so wird es auch in Hamburg mit der CDU gehen.
Bekommt jetzt Schwarz-Grün den emotionalen Charakter, den früher mal Rot-Grün hatte?
Ehrlich gesagt glaube ich, dass das ein Medienhype ist. Schwarz-Grün ist jetzt für die Presse interessant, neu, aufregend, und allem Anfang wohnt ein Zauber inne. Aber bei den Grünen wird das nicht als "Projekt" gesehen. Wir können nichts dafür, wenn die andere Seite Gefühle von der Art ventiliert, dass jetzt die verlorenen Bürgerkinder zurückkommen. Das ist Blödsinn.
Angeblich fluppt Schwarz-Grün auch deshalb so gut, weil die CDU viel höflicher ist als die SPD. Mögen Sie das bestätigen?
Einige in der SPD halten die Grünen immer noch für ihre missratenen Kinder, denen man ab und zu mal klare Kante zeigen muss - vor allem, wenn man selbst Probleme hat. Diese anmaßende Haltung war vor allem während der rot-grünen Zeit unter Schröder verbreitet. Doch gerade weil mittlerweile alle Beteiligten eine kühlere Sicht auf die Koalition haben, läuft der Umgang miteinander heute unkomplizierter. Außerdem ist die SPD hier in Bremen froh, aus der großen Koalition herausgekommen zu sein.
Ist Rot-Grün das Bündnis für arme Länder, Schwarz-Grün das für reiche?
Bremen ist nicht arm. Der öffentliche Haushalt ist zwar knapp, aber es gibt hier durchaus privaten Reichtum und eine lebendige Bürgergesellschaft. Deshalb arbeiten wir viel mit privaten Investoren zusammen und versuchen, Kapital für gemeinnützige Zwecke zu mobilisieren. Erst kürzlich ist es uns zum Beispiel gelungen, unseren berühmten Rhododendronpark mit Hilfe eines privaten Stifters zu retten. Eine Aufteilung Rot-Grün für Arme und Schwarz-Grün für Reiche sehe ich nicht.
Im Bund wäre die SPD gegen, die CDU für Atomkraftwerke. Werden AKWs irgendwann kein grüner Knackpunkt mehr sein?
Nein. Der Atomausstieg ist Gesetz, bei den Laufzeiten bleibt es. Darauf werden die Grünen immer bestehen. An der Atomfrage würde Schwarz-Grün im Bund nicht scheitern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch