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Interview mit Peter Kraus"Es war wie bei Tokio-Hotel"

Der Sänger und Schauspieler Peter Kraus war mal kurz der deutsche Elvis. Der Rock'n'Roll, sagt er, wäre aber keine Lebensaufgabe gewesen.

Er hätte Deutschlands erster Rocker werden können, ein Revoluzzer auf der Bühne, ein Held der Jugend, vor dem die Eltern warnen – aber dann kam alles anders: Nach fast sechzig Jahren im Showbusiness blickt der Sänger und Schauspieler Peter Kraus auf eine Karriere zurück, die wild begann, die ihn aber schon nach kurzer Zeit zu einem Schmusesänger werden ließ. Der kommerzielle Erfolg siegte über den Rock'n'Roll – und Kraus wurde zu einem Produkt der Musikindustrie.

 

Deutschland in den 1950er Jahren. Wenn irgendwo Live-Musik gespielt wird, dann stehen dort schon etwas ältere Männer in schwarzen Anzügen, sogar "steinalte Männer", sagt der Sänger und Schauspieler Peter Kraus, der damals ein Teenager war, "Männer wie Max Greger und Hugo Strasser mit ihren Big Bands". Als Kraus dann 1956 in München sein erstes Konzert gibt, wird es anders, im sonntaz-Gespräch erinnert er sich: "Und dann kommt da plötzlich ein Typ raus, der keine Socken anhat, das Hemd offen trägt und eine Gitarre umhängen hat. Das frenetische Geschrei ging sofort los, da hatte ich noch gar nichts gemacht. Es war wie heute bei Tokio Hotel". Vier Wochen später unterschrieb Kraus seinen ersten Plattenvertrag.

 

Doch das war zugleich auch das Ende von Kraus' kurzem, frühen Dasein als Rock'n'Roller. Sein Manager Gerhard Mendelsohn hatte längst eine andere Strategie entwickelt: Kraus sollte mit Schmusesongs auch die älteren Fans begeistern, die Mütter und Schwiegermütter. "Es war nie mein Ziel, ein wilder Rock'n'Roller zu werden. Ich wollte Spaß haben, Leute unterhalten. Mir kam es daher zupass, was Mendelssohn vorhatte."

 

Er fürchtete, als deutscher Elvis unterzugehen, ihm und Mendelssohn schien der Rock'n'Roll "noch nicht massenkompatibel genug" zu sein, sagt Kraus im sonntaz-Gespräch. Die Jugendlichen hätten gerade mal so viel Taschengeld bekommen, dass es für eine Single im Monat gereicht hätte, Konzerte durften sie nur mit Erlaubnis der Eltern besuchen. Der kommerzielle Erfolg musste geplant werden, mit anderen Songs – und einem riesigen Erfolg: "1958 haben wir von 'Wenn Teenager träumen' 500.000 Singles verkauft."

 

So wurde Kraus zum Schnulzensänger für die Kuschel- und Schunkelnation, bei manchen Songs habe er zwar "schon geschluckt, aber es hat mir Spaß gemacht". Er wollte Künstler sein und "alle Register der Unterhaltungsbranche ziehen“, der Rock'n'Roll allein wäre ihm "zu eindimensional gewesen, keine Lebensaufgabe".

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