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Interview mit Olaf Scholz"Den Strohhalm weggezogen"

Der designierte SPD-Spitzenkandidat für die Hamburger Bürgerschaftswahl erklärt, warum er eine Rot-Rot-Grüne Koalition ausschließt und warum Bildung nichts kosten sollte.

Will nicht in dunklen Zimmern ohne Licht über Politik nachdenken: SPD-Bürgermeisterkandidat Olaf Scholz. Bild: dpa

taz: Herr Scholz, warum wollen Sie nach der Hamburger Bürgerschaftswahl im Februar 2011 nicht mit der Linken koalieren?

Olaf Scholz: Um eine solche Koalition geht es in Hamburg ja gar nicht. Es ist nach allen Umfragen sehr wahrscheinlich, dass die SPD mit den Grünen in Hamburg eine Koalition bilden kann. Warum sollte ich eine abstrakte Debatte über andere Konstellationen zulassen?

Falls es für Rot-Grün nicht reicht.

Ach, das ist was für Leute, die sich immer absichern wollen. Ich habe lieber den letzten Strohhalm, an den eine in größten Schwierigkeiten steckende CDU sich zu klammern suchte, weggezogen.

Alles nur taktisch motiviert?

Nein, in der Sache ist es ja auch eine richtige Ansage: Zu Rot-Rot-Grün wird es in Hamburg nicht kommen.

Würden Sie lieber mit einer bürgerlichen Protestpartei von Schulreform-Gegner Walter Scheuerl regieren als mit der Linken?

Wir reden über einen Parteibildungsprozess, der noch gar nicht stattgefunden hat. Und wenn man genau hinschaut, wartet ja im Augenblick niemand auf eine solche neue Partei.

Könnte am Ende Rot-Rot-Grün ohne Olaf Scholz regieren?

Nein. Das will ich nicht und das will die SPD auch nicht. Sowas fällt nur Leuten ein, die in dunklen Zimmern ohne Licht über Politik nachdenken. In der SPD gibt es die nicht.

Fraktionschef Michael Neumann hat parlamentarische Arbeit und Personal der Linken im taz salon über den grünen Klee gelobt …

Faire Äußerungen können Sie auch von mir nachlesen. Nur weil die Fraktion der Partei "Die Linke" in der Bürgerschaft ordentliche Arbeit macht, heißt das ja nicht, dass man mit ihnen koalieren kann und muss.

Mathias Petersen, der auch einmal Ambitionen auf das Amt des Ersten Bürgermeisters hatte, warnt vor "Panikmache" - droht darüber Streit in der SPD?

Alle stehen hinter mir.

Auch Petersen?

Alle.

Aber wer ordentliche Arbeit macht - mit dem muss man doch koalieren können.

Meine Perspektive ist Rot-Grün, das sage ich seit über einem Jahr in jedem Interview. Mich ärgert, dass statt über die Frage "Wie viele wählen SPD?" darüber diskutiert wird, wer noch zur Mehrheit gebraucht wird.

Also gut: Warum sollten denn Hamburger SPD wählen, die ein gerechteres Schulsystem wollen?

Hamburg hat eine sehr moderne Schullandschaft: eine vierjährige Grundschule - auf Drängen der SPD mit sehr kleinen Klassen, höchstens 23 Schüler, in Gebieten mit schwierigem Bildungshintergrund hat keine Klasse mehr als 19 Schüler. Wir haben nur noch zwei weiterführende Schulformen: das Gymnasium und die Stadtteilschule. Und wir haben dafür gesorgt, dass die Eltern über die weitere Schullaufbahn nach Klasse vier entscheiden.

Birgt das nicht gerade das Risiko einer verschärften Abstimmung mit den Füßen: Wer irgend kann, flieht aufs Gymnasium, die Stadtteilschule wird zur neuen Restschule?

Die Stadtteilschulen müssen sehr gute Schulen werden. Wir müssen dafür sorgen, dass Eltern guten Gewissens auch Kinder dorthin schicken können, die das Gymnasium locker schaffen können. Die SPD hat durchgesetzt, dass jede Stadtteilschule eine Oberstufe bekommt, so dass jeder Achtklässler jemanden in der Elften sieht und denkt: Das kann ich auch. Es wäre verheerend gewesen, wenn die Mehrheit der Stadtteilschulen mit der zehnten Klasse geendet hätte.

Und wer das nicht schafft?

Über das System der Berufsbildung wollen wir langfristig sicherstellen, dass jeder und jede entweder das Abitur oder einen Berufsabschluss erreicht. Da kommen wir nur hin, wenn noch vor der Schule ein gutes Kita-Angebot besteht. Wir brauchen ein flächendeckendes Betreuungsangebot und wir werden die Grundversorgung von fünf Stunden beitragsfrei stellen.

Sie nehmen die schwarz-grüne Erhöhung der Elternbeiträge zurück?

Ja, aber das ist erst der Anfang.

Wie finanzieren Sie solche Wohltaten, wenn Sie gleichzeitig den Haushalt konsolidieren wollen?

Ich möchte mich an Bill Clintons erfolgreichem Prinzip "pay as you go" orientieren. Das heißt: Jedes Gesetz, das zu Mehrausgaben führt, muss bereits Einsparungen in entsprechender Höhe beinhalten.

Und wo sparen Sie die Mehrkosten im Kita-Bereich ein?

Wir werden das Geld im Haushalt suchen und finden.

Die Linke will noch vor der Wahl die von der CDU eingeführten Studiengebühren wieder abschaffen. Warum machen Sie nicht mit?

Studiengebühren gehören zu den Bildungsgebühren, die auf Dauer nicht bestehen bleiben können. Dass die Studiengebühren junge Leute aus nicht begütertem Hause vom Studieren abhalten, halte ich für eine Tatsache. Aber auch das müssen wir seriös finanzieren. Jetzt im Parlament Klamauk zu machen, ist nicht gut.

Hat das grüne Lieblingsprojekt einer neuen Stadtbahn noch eine Chance?

Wir müssen genau sehen, ob wir uns das Gesamtprojekt leisten können.

Es regt sich auch Widerstand. Kann die Stadtbahn Hamburgs Stuttgart 21 werden?

Solche Großvorhaben setzen voraus, dass die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger davon überzeugt ist.

Kann der städtische Wohnungskonzern SAGA-GWG seine Gewinne künftig in den Wohnungsbau investieren, statt sie an den Hamburger Haushalt abzuführen?

Das ist zumindest eine Variante. Fest steht: Wir brauchen in Hamburg jedes Jahr 6.000 neue Wohnungen, davon ein Drittel Sozialwohnungen.

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7 Kommentare

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  • L
    Lenny

    Ich weiß gar nicht, warum die SPD so ein Brimborium um die Linke macht. Wenn es darauf ankommt stimmt die Linke doch eh immer mit dem Status Quo (s. JMStV) und befindet sich damit genau auf einer Linie mit der SPD und den Grünen.

     

    Links blinken und scharf Rechts abstimmen. Für mich besteht keinerlei Unterschied zwischen den drei Parteien..um es mit einem Wort zu sagen: UNWÄHLBAR

  • L
    landbewohner

    dieser scholz hat sich durch sein handeln in der vergangenheit vollkommen disqualifiziert.

    die hamburger haben nun die wahl zwischen pest und cholera. einzig wahre alternative: den wahlzettel mit einem oder mehreren dicken ärschen verzieren.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Dieser Mann ist die beste Werbung für die Linke.

  • H
    Herbert

    Wenn Scholz den Antrag der Linken die Studiengebühren zum kommenden Sommersemester als "Klamauk" bezeichnet, ist das nur ein Zeichen breitflächiger Ignoranz! Kerstan von der GAL versuchte in der vergangenen Woche den Vorstoß zu diskreditieren, indem er behauptete, es fehle dafür die Gegenfinanzierung und sei nur ein Mittel um GAL und SPD "vorzuführen".

    Die von der Linken geforderte Einstellung von 200 zusätzlichen Steuerprüfern würde die zur Kompensation erforderlichen 33 Mio. EUR pro Jahr in jedem Fall einbringen.

     

    ZITAT Abendblatt: "Etwa eine Million Euro schafft in Deutschland jeder Steuerprüfer jährlich als zusätzliche Einnahme für die Staatskasse ran - Tendenz steigend." (http://www.abendblatt.de/ratgeber/article1364610/Wenn-der-Steuerpruefer-zweimal-klingelt.html) ZITAT Ende

     

    Wenn SPD und GAL die Forderung nach Abschaffung der Studiengebühren wirklich ernst meinen und ihre Vorstellungskraft soweit reicht, dass es potentiell möglich sein könnte, gebührenfreie Bildung zu finanzieren, dann ist die Sitzung der Bürgerschaft am 16.12. DIE Gelegenheit dazu! In einem ohnehin erst noch zu erstellenden Haushalt werden sich die dann notwendigen Mehrausgaben für Wissenschaft und Bildung sicher unterbringen lassen.

    Ob es die Opportunisten in SPD und GAL wohl schaffen werden, über ihren Schatten zu springen?

     

    Vielleicht hilft ihnen die Demo am 16.12. ab Uni-Campus (siehe http://stupanews.files.wordpress.com/2010/11/resolution-vv.pdf) auf die Sprünge...

  • W
    Wahrheitjetzt

    Olaf Scholz ist ein Bilderberger (Sitges, Spanien, 2010) und wird genau das pragmatisch durchziehen, was ihn bei den Bilderbergern beliebt macht. Das Volk interessiert diesen arroganten Machtmenschen nicht. Dass er die Linke gleich ausschließt, obwohl noch nichtmal Wahlen stattgefunden haben, beweist das mehr als deutlich. Hütet euch vor diesem selbstverliebten *****loch, liebe Hamburger.

  • O
    Oli

    seitdem Scholz an vorderster Front für die Hartz-Gesetze in die Presche gesprungen ist, kann er mir gestohlen bleiben. Was er 1998 sagte und wir Rot-Grün endete, das sagt fast alles. Warum soll es in Hamburg 2011 besser werden?

    Und seine Argumentatio hat einen Buch: Eine Festlegung auf eine Konstellation oder eine Absage an eine solche ist für die Wahlentscheidung der Bürger überhaupt nicht notwendig. Er macht das, weil er im Bund, beim Bundesvorstand der SPD beweisen will: Ich kann die Linken raushalten, ich kann die alte Regierungslinie tatsächlich in einer Großstadt zur Macht führen. Wer ihn wählt, signalisiert das nämlich und da stellt sich mir die Frage, warum?

    Warum sollte ich das unterstützen wollen?

    Wenn die SPD erst Mal regiert, wird das meiste genauso sein wie bei der CDU-GAL. Nur das Thema innere Sicherheit/Justiz wird von der rechten SPD hochgekocht werden: Mehr Bullen, mehr Kameras, mehr Verbote (hier Kein Alkohol, dort keine Demo) und das stört mich, weil ich keine Lust habe, in einer Überwachungsstadt zu leben. Schon gar nicht mit GAL_Anstrich.

    Insofern: Ich habe keinen großen Optimismus in diesen Mann und sein öffentlichen Projekt, noch viel weniger in sein privates: SPD-Bundesvorstand beeindrucken. Als Arbeitsminister hätte er vieles machen und ändern können. Hat er aber nicht. Die Folge für fast 8 Millionen Menschen heißt Armut per Staatsauftrag und Minigeld in miesen Jobs. (Vielleicht gut für die Linke, das er nicht will)

  • TD
    Tyler Durden

    Mit allem was diese Partei so von sich gibt sollte man nie vergessen, dass genau dies die Leute sind die uns Schröder, Clement, SChäuble &Co und deren Folgen beschert haben.

    Und, dass diese SPD sich nach wie vor weigert sich von all dem was die Agenda 2010 darstellt zu distanzieren.

     

    Wahlkampf ist nur eines: Wahlkampf!