Interview mit Datenforscherin Ami Sedghi: "Viele habe Angst um ihre Daten"
Ami Sedghi ist Datenforscherin beim "Guardian". Im Interview spricht sie über Datenleichen, die Grafikflut nach dem Erdbeben in Japan und die schwierige Suche nach der richtigen Form.
Frau Sedghi, was hat die Datenforschung mit Revolution zu tun?
Ami Sedghi: Als Datenforscherin durchdringe ich Nachrichten bis zu ihrem Kern, um Tatsachen aufzuzeigen, die wir vorher nicht sehen. Das revolutionäre an dem Job sind die neuen Technologien, die uns heute ermöglichen, Daten besser als je zuvor zu visualisieren.
Gerade gelang es Data Blog ein Schaubild des Atomkraftwerks in Fukushima zu veröffentlichen, das anschaulich die technische Lage in Japan erklärt.
Ja, Japan war ein großer Anlass für uns, Grafiken zu produzieren. Während wir normalerweise eine Grafik pro Tag produzieren, sind es seit der Katastrophe in Fukushima täglich drei oder vier.
Japan beschäftigte Sie sehr lange. Aber was war daneben für Sie die größte Entdeckung ihrer Arbeit in der Datenforschung?
Meine letzte Lieblingsentdeckung war eine Grafik, die wir angefertigt haben, um zu zeigen, wie viel Geld die britische Regierung und ihre einzelnen Ministerien ausgeben. Es faszinierte mich festzustellen, wie trockene Informationen, wie diese Zahlen es waren, auf so eine interessante Art dargestellt werden können. Ohne die Grafik hätte ich mir die Zahlen vermutlich nie vergegenwärtigt und sie hätten mich nicht so sehr interessiert.
Ami Sedghi arbeitet seit September 2010 mit Simon Rogers vom http://www.guardian.co.uk/news/datablog und einem bewährten Team von Grafikern zusammen. Sie hat an der Westminster University in London Journalismus studiert.
Das Vereinfachen der Informationen ist vielleicht die größte Aufgabe in ihrem Job. Wie sehr denken Sie beim Produzieren der Grafiken an ihre Leser und Nutzer? Besteht dabei die Gefahr der Übersimplifizierung?
Wir wollen unseren Lesern so viele Informationen wie möglich anbieten. Gleichzeitig ist unsere Aufgabe die Fülle an Informationen aufzubereiten, sodass sie bereinigt sind und geordnet scheinen. Also filtern wir Informationen, überlegen uns passende Formen der bildlichen Darstellung, geben aber auch immer Hinweise und Links zum Weiterlesen für alle, die sich zusätzliche Informationen holen wollen.
Trotz hochwertiger Datenverarbeitungsprogramme benutzt Data Blog auch kostenlose Software und OpenData. Welche Rolle spielen die frei zugänglichen Programme für Sie?
In unseren Produktionen ermutigen wir die Nutzer selber Daten zu erforschen und zu verarbeiten, indem wir ihnen Tipps und Links zu Programmen und Quellen geben. Immer wieder bekommen wir gutes Feedback und wir veröffentlichen Grafiken, die uns Nutzer zugeschickt haben. Weil unser Ziel ist, Daten der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, veröffentlichen wir sie gerne.
Gibt es Daten, die ihnen unzugänglich bleiben?
Es gibt eigentliche keine Daten, die wir nicht bekommen. Die meisten Organisationen sind sehr kooperativ und wenn wir ihnen erklären, wer wir sind und was wir mit ihren Daten vorhaben, geben sie uns in der Regel bereitwillig den Zugang. Aber sie haben natürlich auch Angst um ihre Daten und wollen sie schützen, das ist verständlich.
Wenn jemand sehr hartnäckig ist und seine Informationen nicht herausrücken will, argumentieren wir mit der Auskunftspflicht. Schwer bleibt es aber durch den Redaktionsschluss in sehr begrenzter Zeit Quellen zu verifizieren und herauszufinden, ob die Daten verlässlich sind. Das bleibt wohl die größte Herausforderungen der Datenforscher.
Welche Daten würden Sie gerne als nächstes entdecken?
Ich bin sehr daran interessiert Dinge zu entdecken, es ist aufregend eine Arbeit zu haben, mit der man großen Einfluss erringen kann und gleichzeitig vielen Menschen kleine Dinge eindringlich erklären kann. Da ich erst vor kurzem meinen Job begonnen habe, möchte ich in allen Fachbereichen recherchieren und dazulernen bevor ich mich auf ein Spezialgebiet konzentriere.
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