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Interview mit Bobomurod Abdullaev „Die Hoffnung ist verflogen“

Ein Gespräch mit dem Journalisten Bobomurod Abdullae über die Rückkehr alter Schergen in Usbekistan.

Refugiumsstipendiat Bobomurod Abdullaev bei einem Besuch in der taz Foto: Barbara Dietl

Andreas Lorenz: Nach dem Tod des Diktators Islam Karimow 2016 scheint es mit Usbekistan aufwärts zu gehen. Die Einwohner leben freier: Journalisten, Oppositionelle, Menschenrechtler kamen auf freien Fuß, Investoren interessieren sich wieder für Ihr Land.

Bobomurod Abdullaev: Das stimmt. Schon kurz nach der Wahl von Shavkat Mirziyoyew erlebten wir einige Reformen. Unsere Währung wurde konvertibel, etliche Mitarbeiter des Geheimdienstes wurden wegen Folter von Gefangenen oder wegen Korruption gefeuert, darunter der stellvertretende Chef. Ihm wird Folter und sogar Mord von Gefangenen vorgeworfen.

Aber?

In der zweiten Hälfte 2018 kam alles wieder zum Stillstand. Blogger, Journalisten, Menschenrechtler wurden verhaftet, allerdings nicht mehr für so lange wie früher. Die meisten blieben nur 15 Tage hinter Gittern. Die Vorwürfe waren meist konstruiert. Entlassene Geheimdienstler kamen wieder in Amt und Würden, im Kabinett des Präsidenten tauchten alte Kader auf.

Was war passiert?

Ich weiss es nicht. Der russische Präsident Putin, so heisst es, hat Druck ausgeübt, nach dem Motto: „Ihr Usbeken könnt machen was Ihr wollt, aber in Fragen der Sicherheit und der Ideologie bestimmen wir Russen, wo es langgeht.“ Seither marschieren wir zurück. Kürzlich wurde ein Blogger inhaftiert, weil er lokalen Politikern Missbrauch öffentlicher Gelder vorgeworfen hatte.

Usbekistan war bis zum Zusammenbruch der UdSSR 1991 Sowjetrepublik. Nun wehren sich die Alten?

Wir leben mit einem Widerspruch: Der Präsident versichert immer wieder: „Blogger, Journalisten! Fürchtet Euch nicht. Ich stehe hinter Euch. Kritisiert uns, ich liebe Kritik!“ Gleichzeitig schlagen die lokalen Geheimdienstler zu.

Wie reagiert der Präsident?

Er schweigt. Er hat inzwischen das Vertrauen vieler Menschen verloren, auch meins. Vielleicht geschah ja nur alles, um die Menschen zu beruhigen und demokratische Reformen zu vermeiden, damit die da oben Macht und Privilegien bewahren können.

Sie selbst saßen im Gefängnis ...

... richtig. Ich wurde im September 2017 auf offener Straße gegriffen, Sack über den Kopf und schwups saß ich in der Folterkammer.

Was geschah mit Ihnen?

Sie haben mir etwa 40 Tage mit Holz- und Gummiknüppeln auf die Beine, die linke Hand, den Rücken und den Kopf geschlagen. Sie haben mir einen Sack über den Kopf geworfen und die Luft abgeschnürt. Sie wollten ein Geständnis, dass ich, sowie einige Regierungsmitglieder und Informanten, versucht hätte, die verfassungsmäßige Ordnung zu stürzen.

Anfang Mai 2018 kamen Sie frei. Amnesty International bezeichnete diese Entscheidung als „Hoffnungsschimmer“. Was meinen Sie selbst?

Ja, ich weiß. In der Tat: Meine Gerichtsverhandlung war öffentlich, was es zuvor nie gegeben hat. Geheimdienstler mussten als Zeugen aussagen. Stellen Sie sich mal vor: Vorher hat der Geheimdienst die Richter zu sich zitiert, nun mussten sie selbst ins Gericht. Der Chef des Geheimdienstes wurde abgelöst, er ist nun Regierungsberater.

Sie trauen dem Braten nicht ...

Richtig. Die Hoffnung ist verflogen.

Was hat Sie in Berlin am meisten beeindruckt?

Mich hat die Freiheit und die Offenheit der deutschen Gesellschaft überrascht.

Zum Beispiel?

Die Deutschen gehen offen mit der Vergangenheit um, sie geben ihre Fehler zu, haben Holocaust-Museen, Stasi-Museen. Ich habe sogar ein kleines Museum des Kommunismus besucht. Dort ist der Kommunismus prima und Karl Marx ein Genie. Bei uns reden wir auch über die Vergangenheit, Namen aber werden nicht genannt. Präsident Mirziyoyew hat sogar Blumen am Grab seines Vorgängers Karimow niedergelegt.

Was mochten Sie an Berlin nicht?

In einigen Gegenden schmeißen die Leute einfach ihren Müll auf die Straße, obwohl es Mülleimer gibt. Und in der Nähe meiner Wohnung am Görlitzer Bahnhof handeln sie frei mit Drogen, die Händler hauen sogar sehr junge Leute an. Ist das etwa normal?

Das taz Refugium ist ein gemeinsames Projekt der taz Panter Stiftung und den Reporter ohne Grenzen. Das Interview führte Kuratoriumsmitglied der taz Panter Stiftung Andreas Lorenz.