: Interventionsmacht Yen
■ Ohne japanische Investitionshilfe ist der Westen nicht mehr krisenfest
Gegen Saddam Hussein rücken die Reihen der Mächtigen zusammen, doch hinter der internationalen Einheitsfront gegen den Irak liegen neue Unsicherheiten. Noch überdeckt das ungewohnte Verständnis zwischen Moskau und Washington die postkommunistischen Hegemoniekonflikte. Und doch skizziert die Konfrontation auf der arabischen Halbinsel erstmals die veränderten Koordinaten, unter denen die Supermächte von nun an antreten. Ein Land trägt dafür in besonderem Maße Sorge: Japan.
Nippon hat keine Flotte, die Kurs auf den Golf nehmen könnte, ist auch nicht Mitglied einer wehrfähigen Verteidigungsorganisation wie der Nato. Von Ölimporten ist das Land allerdings so abhängig wie andere auch. Und: Japanische Unternehmen gehören zu den größten Investoren im Irak. Nippon ist also im gleichen Maße wie andere Industrieländer von allem Geschehen in der arabischen Region betroffen - zudem aber militärisch handlungsunfähig. Diese Situation löste nach dem ersten Ölschock 1973 noch kollektive Panik bei den Japanern aus. Doch hat sich - im Vergleich zu damals - das Selbstbewußtsein dieser Nation gewandelt. „Geld kauft die Welt“ denken viele der Herrschenden in Tokio und lassen (wohl wissend, daß sie genug davon besitzen) die Weltereignisse passieren.
Wie gut die Welt sich auf diese Weise regieren läßt, zeigen die Nöte der USA in diesen Tagen. Plötzlich ist man in Washington auf japanische Investoren angewiesen, um staatliche Schuldbriefe zinsgünstig abzusetzen, denn nur mit dem Erlös daraus könnte ein Kriegsabenteuer im Golf noch bezahlt werden. Die Vorstellung ist nahezu absurd: Die Regierung der Vereinigten Staaten befiehlt (vielleicht) einen Krieg - und die Japaner wollen nicht investieren! Die US-Regierung wäre blamiert und bankrott. Gut also für die USA, daß sie in Tokio einen a priori höflichen Partner wissen.
Doch nicht nur die USA, auch die europäischen Staaten fürchten steigende Zinsen als Folge einer möglichen Ölkrise. Der Kapitalbedarf im Osten Europas ist größer denn je. Und das Zinsdiktat wird aus Tokio kommen. Denn inzwischen gilt: Wenn Tokio erhöht, müssen alle anderen mitziehen. Die Finanzmärkte der Welt leben heutzutage schließlich von japanischer Liquidität. Die Kuwait-Krise offenbart die neue weltpolitische Konstellation. Die Regeln des „neuen Spiels“ lassen sich immer weniger allein von den alten Großmächten und deren bisher gültigen außenpolitischen Doktrinen bestimmen. Nippons straff gelenkte Volkswirtschaft ist jedenfalls schon dabei, mit Zinssätzen und Investitionspolitik den Krisenspielraum für sich abzustecken.
Georg Blume
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