Internet weg bei Piraterieverdacht: 3... 2... 1... offline!
Der Internet-Anbieter Cox setzt im Kampf gegen Piraterie auf eine Radikalmethode: Bei einer Klage wegen Copyrightvergehen wird dem Nutzer ohne Anhörung der Zugang gesperrt.
Wer in den USA ein urheberrechtlich geschütztes Musikstück oder ein Video ins Netz stellt, an dem er selbst keine Rechte besitzt, kann mit Hilfe des so genannten "Digital Millennium Copyright Act" (DMCA) abgemahnt werden. Bislang gingen die Provider hier ganz einfach vor: Kam ein solcher "blauer Brief" für einen ihrer Nutzer, wurde er an sie weitergeleitet. Diese mussten sich dann schlimmstenfalls gerichtlich mit dem Rechteinhaber auseinandersetzen, bis das Problem gelöst war. Der Internet-Provider Cox Communications, mit 3,5 Millionen Abonnenten einer der bedeutendsten Online-Anbieter des Landes, hat sich nun ein anderes Modell ausgedacht: Er kappt jedem seiner Kunden, dem ein solches DMCA-Schreiben zugeht, vorsorglich den Anschluss.
Wie der Fachdienst "Torrentfreak" meldet, erscheint in diesem Fall statt der vom Nutzer aufgerufenen Website ein Hinweis, dass der Zugang aufgrund einer Urheberrechtsverletzung gesperrt sei. Darunter befindet sich eine genaue Angabe über die fraglichen Inhalte, die der User bitte aus dem Netz herauszunehmen habe - direkt entnommen aus dem anwaltlichen Schreiben des klagenden Medienkonzerns: "Entfernen sie die urheberrechtlich geschützten Dateien." Außerdem solle man die "Sharing"-Funktion von Dateitauschbörsen wie Kazaa, Morpheus oder Grokster abschalten. "Das empfehlen wir dringend." Hat man sich dem Wunsch des Providers gebeugt, kann man auf einen Link klicken, über den man dann die Wiederherstellung des Zugangs beantragen kann. Laut Cox verfolgt das Unternehmen dabei eine "Three Strikes Policy": Wird ein Nutzer drei Mal mit einem DMCA-Schreiben konfrontiert, wird ihm der Anschluss komplett gekappt. Das Problem: DMCA-Schreiben gelten Kritikern wie dem Netzbürgerrechtsverband "Electronic Frontier Foundation" zufolge als notorisch ungenau. So kommen Zahlendreher bei der IP-Adresse vor, über die der Nutzer ermittelt wird oder Zeiten stimmen nicht, über die erst eine Zuordnung möglich ist. Mehr noch: Der Provider muss nicht überprüfen, ob die Angaben stimmen, er hat sie nur weiterzuleiten.
In Deutschland kommt die Androhung, den Internet-Anschluss komplett abzudrehen, noch verhältnismäßig selten vor; vor allem ist das System nicht wie bei Cox automatisiert und wird je nach Auslegung der allgemeinen Geschäftsbedingungen von Fall zu Fall entschieden. Dafür droht Dateitauschbörsenfans aus anderer Richtung künftig gewaltiger Ärger: Den Medienkonzernen wurde mit der jüngst in Kraft getretenen Überarbeitung der bundesweit gültigen Urheberrechtsgesetzgebung ein erleichterter Auskunftsanspruch gegenüber den Providern zugestanden. Die Rechteinhaber dürfen laut dem "Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums" ab sofort Anschrift und Namen eines Tauschnetzteilnehmers anfordern, wenn sie nachweisen, dass der Nutzer Copyright-Verletzungen "in gewerblichem Ausmaß" nachgegangen ist. Dazu speichern sie die offen zugängliche IP-Adresse eines Tauschbörsianers, die der Provider dann mit einem Datensatz verknüpfen kann, der ladefähig ist.
Zahlreichen Richtern, die solche Anfragen seit kurzem im Eilverfahren genehmigen müssen, scheint hierzu schlicht die grundsätzliche Teilnahme an Bittorrent, Kazaa und Co. auszureichen. Laut einem Bericht von "Heise Online" winkten Gerichte in Bielefeld, Frankfurt, Nürnberg und Oldenburg die Datenübergabe bereits beim Anbieten einzelner aktueller Musikalben und Hörbücher durch. Besitzt ein Medienkonzern die Daten einmal, kann er den Nutzer abmahnen und/oder zivilrechtlich verklagen, was viele tausend Euro kostet. Der Gesetzgeber hatte mit dem Begriff des "gewerblichen Ausmaßes" eine bewusst schwammige Formulierung gewählt, wie Netzbürgerrechtler kritisierten. Der Richtervorbehalt, der die Privatsphäre schützen soll, werde damit ausgehebelt. Der Bundesverband Musikindustrie ist hingegen zufrieden: "Viele Zivilrichter scheinen das Problem illegaler Downloads höher zu bewerten als einige Staatsanwälte, die seit Sommer die Aufnahme strafrechtlicher Ermittlungen bei Fällen von Internetpiraterie verweigern", so Geschäftsführer Stefan Michalk.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!