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Internes BehördenpapierNuklearer Schwarzbau in Gorleben?

Ein Verdacht der Anti-Atombewegung findet Bestätigung: Der Ausbau des Endlagers Gorleben geht weit über das hinaus, was die Erkundung erfordert.

Zu groß um legal zu sein: Erkundungslager im Salzstock Gorleben. Bild: ap

BERLIN taz | Der Salzstock in Gorleben ist bereits seit Mitte der 80er-Jahre zu einem Atom-Endlager ausgebaut worden. Dies geht aus einem sogenannten Non-Paper hervor, das Experten des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) verfasst haben.

Die "bisherigen Erkundungskosten" hätten außerordentlich hoch gelegen, "was jedoch darin begründet liegt, dass hier parallel zur Erkundung bereits der Ausbau zum Endlager begonnen wurde", heißt es in dem Papier. Non-Papers sind von Fachexperten zusammengetragene Fakten, die Politikern als Entscheidungshilfe dienen.

Die interne Einschätzung birgt enorme politische Brisanz: Die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl hatte für Gorleben nämlich nur die Genehmigung zur untertägigen "Erkundung" eines Atommüll-Endlagers erteilt. Die sollte klären, ob der Salzstock überhaupt geeignet ist. Seitdem wurden in Gorleben 1,51 Milliarden Euro verbaut.

Bereits Mitte der 80er-Jahre stand dank der wissenschaftlichen Begleituntersuchungen fest, dass das Deckgebirge des Gorleben-Rambower Salzstocks instabil ist. So liegt die "Gorlebener Rinne", eine bis zu 320 Meter tiefe eiszeitliche Schmelzwasserrinne aus grundwasserführendem Material, genau über dem tektonisch nach oben aufgewölbten Hut des Salzstocks.

Das dort vermutete Deckgebirge aus mehreren hundert Meter mächtigen Tonschichten, das eine Mindestvoraussetzung für eine mögliche Eignung des Salzstocks als Endlager wäre, ist also nicht vorhanden.

Trotzdem wurde in Gorleben weiter gebohrt und gebaut. Erst mit dem rot-grünen Atomkonsens wurden im Jahr 2000 alle Arbeiten im Erkundungsbergwerk Gorleben gestoppt, seitdem gilt ein Moratorium.

"Die Erkundungslüge ist aufgeflogen", erklärt Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg. Die Errichtung eines Endlagers ohne Planfeststellungsbeschluss sei rechtswidrig. Die Atomkraftgegner kündigten an, am Freitag um "fünf vor zwölf" mit dem Abriss zu beginnen - vermutlich nur symbolisch.

Der Betreiber, das Bundesamt für Strahlenschutz, erklärte, die Anlagen seien für eine mögliche spätere Nutzung als Endlager ausgelegt worden, falls der Salzstock sich dafür als geeigneter Standort erweise.

"Das heißt aber noch nicht, dass Gorleben tatsächlich geeignet ist", so BfS-Sprecher Florian Emrich. 1990 habe das Bundesverwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit der Arbeiten nach Bergrecht bestätigt. Emrich: "Ob Gorleben geeignet ist oder nicht, dafür sind noch mindestens 15 Jahre Untersuchungen erforderlich."

Den Ausbau betreibt die "Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern GmbH". 1996 hatte sie den ersten Streckendurchstoß zwischen Schacht eins und zwei abgeschlossen. Damit entstand in 840 Meter Tiefe die erste von neun geplanten Sohlen.

Die jetzige schwarz-rote Koalition hatte sich genau wie schon die rot-grüne Vorgängerregierung ins Koalitionspapier geschrieben, ein atomares Endlager "in dieser Legislatur" auf den Weg zu bringen. Daraus wird auch diesmal wieder nichts.

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10 Kommentare

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  • T
    Torsten

    wieso berichtet niemand über die demo am freitag in gorleben? (*)

    immerhin sind da knapp 300 leute und 30 bauern bis an den schacht vorgedrungen!!

    hat die herrschende klasse angst, dass es heisse pfingsten werden?

     

    (*) ich habe es zufällig auf NDR-Info gehört, nach lange, suchen bin ich auf tagesschau.de auf einen bericht gestossen, der aber nicht national, wahrscheinlich nur lokal gesendet wurde

  • BG
    Bürger G.

    Man kann es nicht oft genug schreiben:

    Die menge Atommüll, die in Deutschland in 30 Jahren Kernenergienutzung für alle Kraftwerke endgelagert werden muss, entspricht der Menge, die in einem einzigen Jahr in Deutschland als Sondermüll in Untertagedeponien (auch in Süddeutschland) endgelagert wird und dessen Halbertszeit unendlich ist und deren Toxizität mit der von radioaktivität vergleichbar ist. Worüber diskutieren wir in Deutshcland eigentlich?

     

    @taz:Darf die Propagandamaschine Reimer diese Artikel denn umsonst schreiben oder bezahlt ihr dem Oberhetzer auch noch geld?!

  • EM
    Enno Müller

    @Udo Radert:

     

    Ihren Optimusmus den Atommüll einfach inn die Sonne zu schubsen kann darf ich ja wohl nur satirisch auffasen oder?

     

    Denn ein Atomkraftwerk mit einer elektrischen Leistung von 1300 Megawatt produziert jährlich rund 30 Tonnen radiokriven Müll.

    Das sind nach 40 Jahren etwa 1200 Tonnen hochradioaktiven Abfall. Weltweit entstehen in den etwa 440 Atomkraftwerken schätzungsweise 8300 Tonnen hochradioaktiver Atommüll pro Jahr.

     

    Ein "großer" Container wird da wohl kaum ausreichen.

     

    Mit einer Saturn V, der stärksten Rakete die je die Erde verlassen hat lassen sich maximal

    50 Tonnen "Nutzlast" auf Fluchtgeschwindigkeit zur Sonne transportieren.

    Es wären also für die solare jährliche Atommüllbeseitigung 166 Raketenstarts pro Jahr notwendig.

  • N
    nichtbesserverdienendergrünennichtwähler

    Mein Gott, wieso ist bloß vorher niemand auf die Idee gekommen, den Atommüll in die Sonne zu schießen?

    Könnte eventuell daran liegen, dass die größte Ariane-Trägerrakete heute eine Nutzlast von knapp 10t hat. Zum Vergleich, ein Castorbehälter wiegt im vollbeladenen Zustand über 100t, und darf, wenn man Wikipedia Glauben schenken mag, mit maximal 180 kg Schwermetall beladen werden. Bei einem Preis pro Raketenstart von mehr als 100 Mio Euro, überlasse ich ihnen jetzt mal die Wirtschaftlichkeit ihrer Idee zu beurteilen. Mal ganz davon abgesehen, dass es wahrscheinlich im Fall eines Absturzes keinen besseren Weg gibt, Radionuklide in der Atmosphäre zu verteilen.

  • G
    gullideckel

    Sehr guter Artikel. Weiter so taz. Die ganzen bezahlten Kommentare der Atomlobby einfach ignorieren. *hehe* Übrigens ich nicht grün oder SPD.

    Atomkraft war Müll ist Müll und wird immer Müll bleiben. Ein paar Tausend Jahre lang. ;-)

  • UR
    Udo Radert

    Auf mittlere Sicht werden meiner Meinung nach vermutlich zwei Dinge geschehen, die die ganze Debatte

     

    "Kernkraftwerke, ja oder nein?" und "Wohin mit dem (Atom-)Müll?" ein für allemal beenden werden.

     

    1.)In absehbarer zeit wird man sicherlich in der Lage sein, den ganzen strahlenden Müll in einen großen Container auf der Erdumlaufbahn zu bringen und diesem dann einen kleinen Schubs in Richtung Sonne zu geben.

     

    Die hat bekanntlich einen großen Magen und das bissel Müll ist für die, wie wenn man eine Handvoll Sand an den Strand wirft.

     

    2.) Die Kernkraftwerke, die jetzt alle noch auf dem Prinzip der Kernspaltung basieren, werden auf mittlere Sicht durch Kraftwerke, die das Prinzip der Kernverschmelzung zugrunde legen, ersetzt.

     

    Gut, natürlich muss dieses erst noch "erfunden" werden aber rein theoretisch ist man sich heute schon darüber klar, was dabei geschehen müßte, man weiß nur noch nicht *wie* man es machen soll.

     

    Aber etwas Zeit (und Geld) werden auch hier Wunder wirken.

     

    So gesehen, gibt es also

     

    1.) sowieso keine wirklichen "Endlager" auf der Erde, und

     

    2.) irgendwann auch keine Atomkraftwerke heutigen Typs (nämlich der Kernspaltung) mehr.

     

    Das beste Mittel die ungeliebten Atomkraftwerke schnell loszuwerden ist also, in die Kern-Forschung zu investieren und nicht etwa irgendwelche Demos, die unterm Strich sowieso nichts bringen und bisweilen sogar kreuzgefährlich sind.

  • S
    Strahlemann

    Kein Bauwerk ist illegal - nirgendwo!

  • B
    Blümchen-Guerilla

    Die taz ist ein grünes Blatt? Das ist mir allerdings noch nicht aufgefallen. Vielmehr fühle ich (grün) mich hier ziemlich regelmäßig angegriffen und beleidigt ;)

  • K
    ökostrom

    Na da freu ich mich auf die nächsten castor-transporte.....die könnten noch deutlich interessanter ausfallen als die letzten, in den die anti-ak bewegung schon echt gut was vorgelegt hat.

     

    Wenn atommüll in ein illegales, nicht genehmigtes endlager geliefert wird, ist das ein angriff auf auf unseren staat (da ein angriff auf den rechtstaat und die menschenrechte).

    Artikel 20 absatz 4, wenn das nicht jetzt erfüllt ist, wann dann?

  • R
    Robert

    Grüne, Grüner, Grün.....

     

    Die taz ist für die Grünen das, was der FR immer in Bezug auf die SPD vorgeworfen wird. Sie ist Wahlkampforgan und Parteiblatt. Kein Wort darüber, dass ein Sozialdemokrat im Umweltministerium sitzt. Parteifreunde oder er selber scheinen der FR dieses Papier zugestellt zu haben um eine neue Debatte auszulösen.

    Die SPD hat sich darüber hinaus an den Atomkompromiss gehalten. Ob die Grünen das auch getan hätten? (Stichwort Kohlekraftwerk....)

     

    Ich weiß es ist unheimlich uncool nicht auf der SPD herumzuhacken. Wenn diese Partei aber was richtig macht, dann sollte man das auch als "grünes" Blatt unterstützen!