Internationale Presseschau zu Guttenberg: "Schwerer Schlag für Merkel"
"Guttenberg streckt die Waffen." Der Abgang eines deutschen Verteidigungsministers wird auch in der internationalen Presse intensiv beobachtet.
![](https://taz.de/picture/277289/14/guttenbergdeutschlandfahnertr.20110302-14.jpg)
BERLIN taz | Der Rücktritt des "Aristokraten mit gegeltem Haar", Verteidigungsminister a.D. Karl-Theodor zu Guttenberg, beschäftigt die internationale Presse. Viele Blätter sehen darin einen politischen Rückschlag für Kanzlerin Angela Merkel, andere Medien beschäftigten sich bereits mit einem möglichen Comeback des Politikers und Autor stellt sich die Frage, wie Guttenberg nach Verlust von Doktor- und Ministertitel nun wohl zu nennen sei. Eine Auswahl internationaler Pressestimmen:
"Er wurde zum beliebtesten deutschen Politiker gewählt, ein Aristokrat mit gegeltem Haar und gemeißelter Kinnpartie, der einen derartigen Rockstar-Status inne hatte, dass seine Partei bei jedem seiner Auftritte einen AC/DC-Song spielte", beschreibt der britische Guardian Guttenberg, bevor die Autorin in die Analyse einsteigt: "Ein schwerer Schlag für Kanzlerin Angela Merkel und ihre CDU, die nach Niederlagen bei den letzten Landtagswahlen bereits geschwächt ist." Und zu Guttenbergs Krisenmanagement schreibt das Blatt: "Doch egal wie viel Lob er im Amt für seine mutigen Entscheidung bekam, Guttenbergs Krisenmanagement nach dem Aufkommen der Plagiatsvorwürfe vor zwei Wochen war weniger beeindruckend."
Die linksgerichtete spanische Zeitung El País schreibt: "Die Untersstützung der Kanzerlin hat dem bayerischen Minister nicht geholfen. Auch die Solidarität der Sensationszeitung Bild, der meist gelesenen Zeitung in Deutschland, die sich in einen Verteidigungskreuzzug um zu Guttenberg verwickelte, nützte nichts."
"Ein schwerer politischer Rückschlag für Kanzlerin Merkel", schreibt die New York Times und wagt aber auch auch den Blick voraus. "Einige sagen, es ist nur eine Frage der Zeit, bis er auf die politische Bühne zurückkehrt."
Die Neue Züricher Zeitung titelt "Guttenberg streckt die Waffen" und beschreibt seinen Abgang so: "In einer ungewöhnlich langen Bekanntmachung, die sich streckenweise wie eine Rechtfertigungsrede ausnahm, sagte Guttenberg, er habe die Grenzen seiner Kräfte erreicht." Guttenberg habe gehetzt und gestresst gewirkt, schreibt das Schweizer Blatt weiter. Und schlussfolgert: "Die ganze Anlage der Rücktrittsrede deutet an, dass Guttenberg wohl eine Rentrée zu einem späteren Zeitpunkt nicht ausschliesst, vorausgesetzt, das auf Adel, Glanz und Gloria versessene Publikum will ihn wiederhaben."
Der britische Sender BBC fragt: "Hätte er früher gehen müssen?" Und analysiert: "Die Lehre für Politiker in Schwierigkeiten kann nur sein: Wenn du erwischt wirst, geh schnell. Und die Moral für den Boss des Politikers scheint ebenso klar zu sein: Wenn er gehen muss, dräng ihn schnell - steh ihm nicht zu lange bei um dann zurückrudern zu müssen. Denn das hinterlässt nur den Eindruck, nicht Herr der Verfahrens zu sein." Der Autor nennt Guttenberg nun "Baron zu Guttenberg" und fragt mit leicht ironischem Unterton: "Welchen Titel sollen wir ihm sonst geben, jetzt, wo er sowohl den Doktortitel als auch den Ministertitel verloren hat?"
"Mit nur 39 Jahren scheint er am Ende von dem zu sein, was als vielversprechende politische Karriere eines Aufsteigenden Sterns begann", kommentiert die italienische Zeitung La Repubblica.
In der Washington Post heißt es: "Dennoch könnte Guttenberg ihr (Merkel, Anmerkung der Redaktion) einen Gefallen erwiesen haben, denn in sechs Bundesländern stehen in diesem Jahr Landtagswahl an. ... Obwohl Guttenberg immer noch öffentliche Sympathien hatte, 'hätte er seiner Partei geschadet, wäre er nicht zurückgetreten' und der Skandal wäre weitergegangen", zitiert das Blatt Manfred Güllner von Forsa. Und die Post schlussfolgert: "Es scheint, als hätten die Deutschen zugestimmt, dass es für Guttenberg Zeit war, zu gehen."
Für die kolumbianische Zeitung El Tiempo ist klar: "Das Wichtige an diesem Kapitel deutscher Geschichte ist, dass Guttenberg der beliebteste Politer des Landes und das Sternchen des Kabinetts für Angela Merkel war."
Der österreichische Standard titelt: "Der Absturz eines Überfliegers" und beschäftigt sich in einer Analyse mit CSU nach dem Rücktritt des CSU-Shootingstars. "Einer dürfte in München aber klammheimliche Freude spüren: der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder (CSU). Er gilt als weiterer Kronprinz Seehofers, stand aber zuletzt immer mehr in Guttenbergs großem Schatten." In seiner Onlineausgabe am Mittwoch berichtet das Blatt dann über ein mögliches Comeback Guttenbergs. "Kaum zurückgetreten, gibt es schon die ersten Rufe nach einem politischen Comeback für den über eine Plagiatsaffäre gestolperten deutschen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg."
Auch das schwedische Aftonbladet berichtet die politischen Umbrüche in Deutschland: "Sein Rücktritt ist ein harter Rückschlag für Bundeskanzlerin Angela Merkel." In einem Blogeintrag wird Guttenberg als "Kronprinz der Rechten" betitelt.
Der Parisien verliert sich in einer Beschreibung des Mannes, der nun von der politischen Bühne Deutschland verschwunden ist: "Der Baron Cool mit seinem gegelten Haar, dem Lächeln eines jungen Premiers, als Nachkomme eine mittelalterlichen adligen Familie, verheiratet mit einer von Bismark und Vater zweier Kinder, der von Frauenmagazinen zum Sexiest Man Deutschlands gewählt wurde." Das wiederum stimmt nicht ganz: Guttenberg wurde zum "Sexiest Man" gewählt, jedoch nicht in ganz Deutschland, sondern zum "Sexiest Man in Politics". Wenigstens den Titel kann Karl-Theodor zu Guttenberg behalten. HAV/ZIM
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören