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Internationale Hilfe für BirmaEingreifen nur bei Völkermord

UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon lehnt ab, Hilfsgüter ohne Zustimmung der Junta nach Birma zu schaffen. Frankreich hatte eine Diskussion über derartige Zwangshilfe ausgelöst.

Wird sich der Sicherheit auf "Verantwortung zum Schutz" berufen, um in Birma aktiv zu werden? Bild: dpa

GENF taz Der Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen, John Holmes, soll "in den nächsten Tagen" nach Birma reisen und die Militärregierung in Rangun dazu "drängen", Hilfslieferungen aus dem Ausland sowie die Verteilung der Güter an die notleidende Bevölkerung endlich ohne Einschränkungen zuzulassen. Das verkündete UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon in der Nacht zum Donnerstag in New York nach einer gemeinsamen Krisensitzung mit den Botschaftern der ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats, Birmas sowie dem Verband Südostasiatischer Staaten (Asean). Es sei auch diskutiert worden, einen UN-Asean-Koordinator zu bestimmen, der ein logistisches Hilfszentrum außerhalb Birmas etablieren solle.

Ban lehnte es ab, Hilfsgüter ohne die Zustimmung der Militärregierung nach Birma zu bringen. Man habe "darüber diskutiert, enger zusammenzuarbeiten, vor allem mit den Asean-Staaten, wir brauchen die volle Unterstützung der birmesischen Regierung in diesem Punkt", betonte der Generalsekretär. Die Debatte über eine zwangsweise, eventuell sogar mit Militär durchgesetzte humanitäre Hilfe hatte Frankreich mit dem Vorschlag ausgelöst, der Sicherheitsrat solle sich unter Berufung auf seine "Verantwortung zum Schutz" der Bevölkerung Birmas offiziell mit der dortigen Lage befassen und mit einer UNO-Resolution die Verteilung von Hilfsgütern auch gegen den Willen der Junta autorisieren.

Einen entsprechenden Resolutionsentwurf legte Paris bislang allerdings nicht vor. Im September 2005 hatten die 188 Teilnehmerstaaten des UNO-Reformgipfels einstimmig beschlossen, dass jede Regierung die primäre "Verantwortung zum Schutz" der eigenen Bevölkerung hat - und zwar vor "Völkermord, Verbrechen gegen die Menschheit, ethnischer Säuberung und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen". Ist eine Regierung "nicht willens oder in der Lage", diese Verantwortung wahrzunehmen, geht diese demnach auf die UNO und den Sicherheitsrat über, der dann alle politischen Mittel sowie notfalls auch wirtschaftliche oder gar militärische Zwangsmaßnahmen einsetzen kann, um den Schutz der betroffenen Bevölkerung zu gewährleisten.

Dieses neue politische Prinzip ist allerdings bislang keine völkerrechtlich verbindliche Norm wie etwa die UNO-Konventionen zum Verbot des Genozids oder der Folter.

Wie die Debatten seit dem französischen Vorstoß gezeigt haben, ist zumindest bislang eine Mehrheit der Staaten im Sicherheitsrat und der Generalversammlung nicht bereit, die Anwendung des Schutzprinzips auf humanitäre Notsituationen nach Naturkatastrophen auszuweiten. Und selbst diejenigen Hilfsorganisationen, die eine solche Ausweitung politisch für richtig halten, befürchten, dass der Versuch, humanitäre Hilfe für die Bevölkerung Birmas mit Zwangsmitteln gegen den Willen der Regierung sowie möglicherweise gegen den Widerstand ihrer Streitkräfte durchzusetzen, nur scheitern kann.

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1 Kommentar

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  • I
    Ivanfi

    Herrn Zumachs vorsichtige, zurückhaltende Einschätzung (vielleicht weil ihm die verlogene Rhetorik der West-Medien und West-Politiker aus dem Kosovo-Krieg als abschreckendes Beispiel vorschwebt, vielleicht weil er sich noch an die massive pro-USA Kriegshetzte der Exiliraker in 2002/2003 erinnert, die übrigens schon längst wieder die Fronten gewechselt haben und Irak gegen die USA verteidigen) ist hier ein Journalismus, den man heute leider vermisst.

    Um die aggressiven Hilfs-Gemüter im Westen zu beruhigen wäre vielleicht besser, in sich zu kehren und die andere Seite der Medaille auch zu würdigen:

     

    Es gibt keinen Konflikt auf der Welt, der nicht innerhalb des völkerrechtlichen Staatsgebilde des betreffenden Staates gelöst werden kann.

     

    Kein Staat auf der Welt ist interessiert oder gar krankhaft veranlagt, Menschen, welche Volks- oder Religionszugehörigkeit auch immer zu drangsalieren, zu quälen, zu foltern, ermorden, zu schänden oder zu stigmatisieren.

     

    Alle Vielvölkerstaaten sind auf Harmonie und gutes Einvernehmen untereinander, miteinander ausgerichtet. Auftretende Probleme, dürfen nicht ungebührend, provokativ oder auch nur voreilig als auf ethnische, religiöse oder anderweitig politisierte Motive reduziert, verdreht, verteufelt werden.

     

    Jede westliche Einmischung ist Gift und erschwert, sogar verhindert für lange, sehr lange Zeit, für ganze Generationen eine besonnene Lösung von Problemen, die sonst innerhalb eines Staates immer lösbar wären, wie in der Vergangenheit waren.

     

    Wenn der Westen hier als eine Art selbsternannte Welt-Polizist oder Ober-Schiedsrichter die Definition "Innere Angelegenheit" anzweifelt oder gar selbstherrlich ablehnt, zeigt dies nur die unredlichen Ansichten des Westens.

     

    Die Behauptung, oder auch nur die Suggerierung, es gibt keinen Rechtsstaat auf der Welt, als die BRD selbst, ist in hohem Maße verlogen und sehr wohl BRD-eigennützig. Daher kann, soll und darf von keinem souveränen Staat ernst genommen und akzeptiert werden!

     

    Es gibt keinen Konflikt auf der Welt, der ohne westliche Einmischung nicht gelöst werden könnte.

     

    Weil aber der Westen verfangen und befangen in der eigenen Weltbefreiungs- und Menschenrechtsfanatischen Zwangsneurose sich nicht in der Lage sieht, einer unredlichen Einmischung fernzuhalten, zudem der Westen, das reichste Gebilde der Welt, dem niemand das Wasser reichen kann, sich um einen Teufel schert, friedlich zu sein, werden keiner der Konflikte gelöst, sondern kommen jährlich neue hinzu.