Inter Mailand in Bremen: Der robuste Rhombus
Inter Mailand überzeugt in Italien mit brachialem Kraftfußball. Dienstag kommt das Mourinho-Team zum Champions-League-Spiel nach Bremen (20.45 Uhr, Premiere).
Die Maschine läuft. Der Ingenieur ist zufrieden. "Wir sind stark, wir spielen intelligent. Das Selbstbewusstsein ist hoch", lobt Inter-Mailand-Trainer José Mourinho. Doch von Schönheit gezeichnet ist es nicht, was seine Zöglinge auf dem Rasen abliefern. Es ist nur tödlich erfolgreich. Zumindest in der Meisterschaft. Bis auf das Derby gegen den AC Milan haben die Blauschwarzen alle wichtigen Duelle gewonnen. Zuletzt wurden die bislang offensivfreudigste Formation der Serie A, Lazio Rom, mit 3:0 abgefertigt. Inter führt mit großer Souveränität sowohl die Tabelle als auch die Teilstatistiken für den besten Angriff und die sicherste Verteidigung an.
Grundlage dieser Bilanz ist aber nicht jene Spielkultur, die der smarte Portugiese noch bei Amtsantritt versprochen hatte, sondern ein brachialer Kraftfußball. Die Gegner werden nicht ausgespielt, sondern mit harten Kerlen wie Maicon oder Adriano schlichtweg überrannt. Auf elegantes Flügelspiel verzichtet Mourinho, weil die Protagonisten, die diesen vortragen könnten, nicht die dafür nötige Form (Mancini und Quaresma) oder keine taktische Reife (Balotelli) aufweisen. Als Notlösung hat der Coach, der gerade von seiner Heimatuniversität Lissabon mit der Ehrendoktorwürde bedacht wurde, im Mittelfeld einen robusten Rhombus installiert. Dieses Gravitationszentrum - Cambiasso an der tiefsten Position, Zanetti und Muntari außen, Stankovic hinter den Spitzen - saugt die Bälle auf und donnert sie mit der Präzision, aber auch der Monotonie eines Montageroboters nach vorn. Die gesamte aktuelle Startelf (einzige Ausnahme der gefällige Stankovic) pflegt kein Freundschaftsverhältnis mit dem runden Leder. Auf das Spielgerät wird vielmehr derart eingeprügelt, dass es sich mehr in der Luft als auf dem Rasen befindet. Aus diesen Höhenlagen holen Mourinhos Muskelmänner das Spielgerät völlig humorlos herunter.
Galionsfigur dieser Truppe ist selbstredend kein filigraner Tänzer, sondern ein sachlicher Krieger wie der Taekwando-Crack Zlatan Ibrahimovic. Wegen seiner beeindruckenden Körperbeherrschung sorgt der bosnische Schwede wenigstens für ein paar Zehntelpunkte in der künstlerisch-ästhetischen B-Wertung. Mäße man die Truppe allein nach diesen Kriterien, dann müssten alle Abonnenten des Bezahlsenders Sky TV ihr Geld vom Inter-Besitzer Moratti als Kompensation für die wöchentliche Beleidigung ihrer Augen zurückfordern. Doch dies passiert nicht, weil in der Spielrealität des Fußballs der Zweck die Mittel noch immer zu heiligen scheint.
Im Inter-Lager selbst wird der mitunter auftretende Verdruss über die Unansehnlichkeit des Spiels mit dem Adrenalin verdrängt, das der momentane Erfolg ausschüttet. Erdölmagnat Moratti atmet zudem auf, dass diverse Baustellen mittlerweile bereinigt sind. Die zunächst ausgemusterten Cruz und Crespo sind wieder integriert. Auch Adriano ist resozialisiert. Nach einer Grippepause ist sein Einsatz in Bremen wahrscheinlich. Und der talentierte Balotelli hat sich in der Juniorenklasse mit zwei Toren bewährt und darf wohl auch mit an die Weser. Dort strebt Inter trotz möglicherweise schwerer Gegner im Achtefinale den Gruppensieg an. "Wir sind die Nummer 1", lautet Mourinhos Credo." Wir wünschen uns in der nächsten Runde einen Rivalen, der uns zwingt, unser Bestes zu zeigen", blickt er voraus. Das ist ein Zeichen, dass Mourinho den Charakter seiner Mannschaft erkannt hat. Sie funktioniert über den Willen. Der muss herausgefordert sein. Nur beim Auftritt gegen echte Gegner stimmt auch die Leistung. Werders größte Hoffnung ist daher, nicht allzu ernstgenommen zu werden.
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