: Intendant Hein?
Auf Christoph Hein kommen schwere Zeiten zu. Der Schriftsteller soll ab 2006 als Intendant das Deutsche Theater in Berlin leiten. Das DT, einst die Renommierbühne der DDR und eines der größten und kompliziertesten Schauspielhäuser des Landes, ist seit längerer Zeit in schlechter Verfassung. Nach der Wende von Thomas Langhoff halb nostalgisch, halb opportunistisch als kuscheliges Überbleibsel der DDR geführt, hat es der heutige Intendant Bernd Wilms seit 2001 in einen gesichtslosen Gemischtwarenladen verwandelt. Dass Berlins Kultursenator Thomas Flierl (PDS) jetzt einem weitgehend metierfremden Schriftsteller zutraut, das DT zu einem, so wörtlich: „führenden deutschsprachigen Schauspieltheater“ zu machen, ist eine wagemutige Entscheidung. Sie wird weder Christoph Hein noch dem Deutschen Theater gut bekommen.
Hein, ein bedeutender Romanautor und genauer Chronist deutscher Zustände, ein hellsichtiger Essayist und nur selten gespielter Dramatiker, hat sich nie in das Geflecht von Institutionen, Apparaten, Verwaltungen, Machtpositionen begeben. Seine Unabhängigkeit, sein bürgerlicher Eigensinn gehören zu seinen Stärken als Künstler. Sie haben ihn in der DDR vor allen ideologischen Verhärtungen bewahrt, an denen sich andere DDR-Schriftsteller seiner Generation, von Heiner Müller bis Volker Braun, abarbeiten mussten. Dass er diese Unabhängigkeit gegen die Last einer Intendanz und die Verantwortung für einen Millionenetat eintauschen will, ist ein Anschlag auf sein Talent. Wer Heins Romane schätzt, kann seine Entscheidung nur bedauern.
Mit praktischer Theaterarbeit hat Hein so gut wie keine Erfahrung. Vor knapp drei Jahrzehnten war er einige Zeit Dramaturg an Benno Bessons Volksbühne in (Ost-)Berlin, in der heutigen Theaterszene ist er ein Außenseiter. Er hat weder die Kontakte noch das Naturell, weder die Erfahrung noch die Robustheit, die ein guter Intendant braucht. Für die Leitung des DT qualifiziert ihn nichts als sein Ehrgeiz und seine Herkunft aus der DDR.
Das macht Flierls Entscheidung so skandalös: Sie ist vollkommen sachfremd und instrumentalisiert eine der größten deutschen Bühnen für eine ostalgische Symbolpolitik. Damit beschädigt Flierl, einer der klügsten und verantwortungsbewusstesten Kulturpolitiker dieses Landes, nicht nur das DT und Christoph Hein, sondern auch sich selbst. Vom guten Ruf, den er sich in den letzten Jahren erarbeitet hat, bleibt nach dieser krassen Fehlentscheidung nichts übrig. PETER LAUDENBACH