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Intellektueller Hohlraumversiegler

betr.: „Ich bin nicht der Postbote“ (Peter Sloterdijk), taz vom 19./20. 1. 02

„Schaum“, so Peter Sloterdijk, ist ein „kosmologisches Prinzip, ohne das Leben und Umwelteffekte gar nicht möglich wären.“ Sloterdijk gelingt es in der Tat, die rein akademische Analyse zu verlassen, in dem er ihre abstrakte Denke vom wissenschaftlichen Trockendock ins Fahrwasser der konkreten Sprache hinüberhebt. Seine sprachgewaltige Hochsee-Metaphorik besitzt eine spontane und originelle Spritzigkeit, mit der er alle philosophischen Binnenschiffer abhängt und nass macht.

Um weiter im Bild zu bleiben: Sloterdijk befindet sich mit seinem Philosophie-Dampfer ständig in rauer See und in tiefen Wassern, umspült vom Schaum all jener Fahrensleute, die mit ihrem Boot jemals das Meer der Denker durchkreuzten. Doch es ist nicht die suggestive Kraft seiner Rhetorik, die den Lesespaß an seinen Schriften ausmacht: es ist die menschliche Dimension seiner analytischen Überlegungen. Er verknüpft wie kein anderer das Banale mit dem Tiefsinnigen, den Bauch mit dem Kopf, das Politische mit dem Unpolitischen, das Pralle mit dem Zierlichen und das Denken mit der Zunge. Sloterdijk ist damit kein vordergründiger Schaumschläger oder Postbote einer fremden Message, sondern er ist ein intellektueller Hohlraumversiegeler, der den Hartschaum seiner Philosophiearbeit dafür benutzt, die weiten Räume der universitären Leerkörper vor Korrosion zu schützen und mit einer inneren Stabilität zu versehen. Somit ist Sloterdijk ein virtuoser Statiker und Bewahrer der Philosophie; seine Ausschäumungen präparieren und stabilisieren die dünn geschmiedeten Konstruktionen des zeitgenössischen Denk-Blechs.

KURT BERLO, Dortmund

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