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Integrativer UnterrichtPädagogen in Sorge

50 Schulleiter fordern mehr Personal für Beschulung von Kindern mit Behinderung. GAL streicht den Bezug auf Integrative Regelklassen aus ihrem Programm.

Integrativer Unterricht braucht zusätzliche Lehrer: Jonas übt mit einer Praktikantin Lesen. Bild: dpa

Als "hoch problematisch" haben rund 50 Schulleiter von Integrationsschulen die Personalzuweisung für das gemeinsame Lernen behinderter und nicht behinderter Kinder bezeichnet. Für Kinder mit Beeinträchtigungen in den Bereichen Lernen, Sprache und sozial-emotionale Entwicklung - die Mehrheit der behinderten Kinder - werden 2010 und 2011 nur anderthalb Unterrichtsstunden Sonderpädagogik pro Woche bewilligt. "Damit kann man keine traditionellen Schulen in Integrationsschulen umwandeln", sagt Schulleiter Martin Kunstreich von der Aue-Schule in Finkenwerder.

Nötig, so heißt es in einem Appell, seien mindestens drei Unterrichtsstunden pro Kind. CDU-Bildungssenator Dietrich Wersich möge dies als Sofortmaßnahme fürs neue Schuljahr zur Verfügung stellen. Mit den anderthalb Stunden pro Kind kämen bei vier Kindern nur sechs Stunden Sonderpädagogik zusammen. "Das ist zu wenig, um die nötige Doppelbesetzung in den Kernfächern Deutsch, Mathe und Englisch zu gewährleisten", ergänzt Pit Katzer von der Erich Kästner Schule.

Die Wersich-Behörde verwies in einer Stellungnahme auf die "vorläufige Haushaltführung", die wenig Spielraum lasse. Jede Schule bekomme aber eine Anschubfinanzierung von einer halben Sonderpädagogenstelle, die "auskömmlich" sei, sagte ein Sprecher. Diese gibt es aber nur einmal für jede Schule. Kunstreich spricht deshalb von einem "Bonbon auf den heißen Stein".

Die Schulleiter stoßen sich in ihrem Appell aber auch am jüngst beschlossenen GAL-Programm. Die oben erwähnten Lernbeeinträchtigungen sind meist Folge sozialer Benachteiligung. In Hamburg gibt es deshalb seit 20 Jahren an 35 Standorten in sozialen Brennpunkten Grundschulen mit Integrativen Regelklassen (IR), die auch auf Prävention setzen und generell mit einer halben Sonderpädagogenstelle ausgestattet sind. Das ist etwa doppelt so viel wie an den neuen Standorten. Die Schulleiter befürchten, dass dieses IR-Konzept abgeschafft wird.

Laut Schulgesetz gilt das Prinzip der Inklusion: Jedes Kind hat das Recht eine Regelschule zu besuchen. Die bis vor kurzem - und wahrscheinlich bald wieder - von der GAL geführte Schulbehörde arbeitet deshalb an einem neuen Modell der Ressourcenzuweisung für alle Schulen.

Doch auf die Höhe einer Zuweisung legen sich die Grünen nicht fest. Im Entwurf ihres Wahlprogramms hieß es, sie wollen an die erfolgreiche Praxis der IR-Klassen anknüpfen. Doch als eine GAL-Lehrerin in der Debatte beantragte, dies durch "fortführen und ausweiten" zu ersetzen, wurde der Passus ganz gestrichen.

Man wolle die Ressourcenfrage mit den Fachverbänden diskutieren; dieser Prozess sei durch das frühe Koalitionsende unterbrochen worden, sagt der GAL-Politiker Michael Gwosdz. "Das Wahlprogramm ist nicht der Ort, dies bis auf die letzte Wochenarbeitszeitsstelle auszuführen."

Der SPD-Schulpolitiker Ties Rabe wird da konkreter. "Wir planen nicht, dass die IR Standards verschlechtert werden", versichert er. Die Kritik der Schulleiter an der Mindestausstattung sei berechtigt. CDU-Schulpolitiker Robert Heinemann sagt, nach dem, was er aus den Schulen höre, habe er "nicht den Eindruck, dass die Sache personell ausreichend unterfüttert ist".

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