Integrationsgummibärchen in Bayern: „Wir integrieren auch die Marsianer“
Mit Gummibärchen will Bayern das Thema Integration positiv besetzen. Ist ja auch einfacher, als Migranten in die Politik einzubinden.
MÜNCHEN taz | Dass Integrationspolitik in Bayern in erster Linie Symbolpolitik ist, zeigt das jüngste Beispiel: Der bayerische Integrationsbeauftragte Martin Neumeyer (CSU) hat sich einen ganz besonders lustigen Gag ausgedacht: Im Namen der Staatsregierung ließ er anlässlich eines Kinderfests 7.500 Tüten mit „Integrations-Gummibärchen“ produzieren.
„Vielfalt in einem Beutel“ steht auf der Verpackung. Auf der Rückseite heißt es: „Wir sind alle Bayern.“ In der Tüte: Gummibärchen, genauer gesagt, Weingummi in Form der ehemaligen DDR-Ampelmännchen (eine eigene Form zu entwerfen, wäre zu teuer gewesen) – in Gelb, Rot, Orange, Schwarz und, äh, Grün. Grün? „Ja, grün“, sagt Neumeyer. „Wenn einer danach fragt, sag ich immer, wir integrieren auch die Marsianer.“
Neumeyer, das wird schnell deutlich, will seine Aufgabe zwar ernst nehmen, aber nicht zu ernst angehen. Stattdessen „das Thema Integration mit der kleinen Süßigkeit auch den kritischen Geistern nahe bringen“. Eine originelle Aktion mit hohem Sympathiewert, könnte man denken, stünde sie nicht gar so exemplarisch für die gesamte Integrationspolitik im Freistaat. Denn die geht auch jenseits der lustigen Gummibärchen nicht über Symbolpolitik hinaus. Das wird schon am Amt des Integrationsbeauftragten deutlich.
Neumeyer selbst verfolgt seine Aufgabe, die er ehrenamtlich betreibt, zwar mit viel Verve. Landauf, landab diskutiert er auf Podien und in Foren über die Sorgen und Nöte von bayerischen Migranten, besucht Moscheen und Kulturvereine, initiierte 2010 den Bayerischen Integrationsrat (BIR), der Vertreter von Migrantenverbänden und Politiker aller Fraktionen an einen Tisch bringt.
Selbst dass ihn einige Parteifreunde im Landtag als „Türken-Martin“ veralbern, nimmt er in Kauf. „Das macht mir nichts aus“, sagt Neumeyer. Er fahre gerne und immer wieder in die Türkei. „Und wenn man in eine Moschee kommt und auf Türkisch ’Hallo, wie geht’s‘ sagen kann, dann kommt das schon gut an.“ Doch genau das ist das Problem.
Landtag ohne Migranten
Warum ist der bayerische Integrationsbeauftragte nicht selbst Migrant? Der spräche seine Muttersprache fließend. Und er wüsste aus eigener Erfahrung, warum es geht. Dass das aber nicht möglich ist, liegt an der Zusammensetzung des Bayerischen Landtags. Kein einziger der 187 Abgeordneten ist das Kind oder der Enkel von Gastarbeitern. Ob sich daran nach der Landtagswahl 2013 etwas ändert, ist – ganz gleich, welche Parteienkonstellation die Regierung stellt – ungewiss.
Die Zusammensetzung der bayerischen Bevölkerung ist damit nicht annähernd in der Politik repräsentiert. 2011 hatte knapp jeder fünfte Einwohner Bayerns gemäß den Erhebungen des bayerischen Landesamts für Statistik einen Migrationshintergrund. Anders als in anderen Regionen Deutschlands sind die meisten Migranten in Bayern extrem gut integriert.
Der Grund dafür ist ganz einfach: Es gibt genügend Arbeit für alle. Dass also die meisten Einwanderer in Lohn und Brot stehen und ihre Kinder Ausbildungsplätze finden, macht in Bayern vieles leichter als anderswo in Deutschland. Aber es verhindert offenbar auch, dass man das Thema Integration allzu ernst nehmen muss.
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