Integrationsbericht aus Nordrhein-Westfalen: Mit deutschem Pass zum Abitur
Der erste Integrationsbericht aus Nordrhein-Westfalen zeigt, dass eingebürgerte Deutsche häufiger die Hochschulreife schaffen als ihre Mitbürger.
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Als erstes Bundesland hat Nordrhein-Westfalen einen differenzierten Bericht zur Integration vorgelegt. Am Mittwoch präsentierte Landesintegrationsminister Armin Laschet (CDU) in Düsseldorf die 243 Seiten starke Studie. Die Landesregierung hatte sie am Tag zuvor verabschiedet. Deren Besonderheit sei eine Sonderauswertung des jährlich erhobenen repräsentativen Mikrozensus. "Wir haben erstmals nicht nur Daten zur Lebenslage von Deutschen und Ausländern, sondern auch zur größeren Gruppe der Menschen mit Zuwanderungsgeschichte vorliegen", sagte Laschet.
Hierzu zählt der Bericht neben Ausländern und Eingebürgerten auch die Kinder von im Ausland Geborenen und die zugewanderten Aussiedler und jüdischen Einwanderer. Der Bericht betrachtet nicht mehr nur die in NRW lebenden 1,9 Millionen Ausländer, sondern alle 4,1 Millionen "Menschen mit Zuwanderungsgeschichte". Dadurch könne er "ein deutlich realistischeres Bild über den Stand der Integration" geben, so Laschet. Denn die "vergleichsweise ungünstigen Werte der ausländischen Bevölkerung" bei Arbeit, Einkommen und Bildung resultierten zum Teil auch daraus, "dass gut integrierte Zuwanderinnen und Zuwanderer durch Einbürgerung aus der Ausländerstatistik herausgefallen sind".
Tatsächlich verändert die Einbeziehung der Eingebürgerten die Statistik erheblich, sie schneiden bisweilen sogar besser ab als ihre urdeutschen Mitbürger. Beispiel Bildungsabschlüsse: Haben 27,1 Prozent der Deutschen ohne Migrationshintergrund Abitur oder Fachschulreife, sind es bei den eingebürgerten Zuwanderern 30,3 Prozent. Das sei "das deutliche Signal an die Mehrheitsgesellschaft, dass es viele Menschen gibt, die eine integrationspolitische Leistung erbringen", so Laschet.
Auf jeden Fall heben sie den Gesamtschnitt der Migranten mit Hochschulreife - und zwar auf 24,5 Prozent. Rechnet man die Eingebürgerten jedoch heraus, erreichen nur 22,9 Prozent eine Uni-Zugangsberechtigung. Geradezu erschreckend ist das Ergebnis für Menschen mit türkischer Herkunft: Von nichteingebürgerten Türken schaffen sogar nur 8,3 Prozent das Abitur oder die Fachhochschulreife.
Auch ansonsten schneidet die türkische Bevölkerung mit oder ohne deutsche Staatsbürgerschaft nicht gerade gut ab. So weist sie mit 55 Prozent die niedrigste Erwerbsquote auf. Besonders frappierend: Bei türkischen Frauen liegt sie gerade mal bei 35,6 Prozent.
Demgegenüber liegt die Erwerbsquote von Deutschen zwischen 15 und 65 Jahren in NRW bei 73,5 Prozent, bei Menschen mit Zuwanderungsgeschichte insgesamt bei 65,9 Prozent. Während die Armutsrisikoquote von Deutschen ohne Zuwanderungsgeschichte bei 11,3 Prozent und bei Menschen mit Zuwanderungsgeschichte bei 29,6 Prozent liegt, sind 40,4 Prozent der Türkinnen und Türken von Armut bedroht.
Fazit des Berichts: Auch mehr als 50 Jahre nach der ersten Anwerbung italienischer "Gastarbeiter" liegen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte weiterhin deutlich hinter der "einheimischen" Bevölkerung zurück. Doch Laschet blickt nach vorn: "Von einem Scheitern der Integration kann keine Rede sein, allerdings von Integration als einer bleibenden Herausforderung."
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