piwik no script img

Integration irakischer FlüchtlingeHeimat braucht eine Wohnung

Die irakischen Kontingentflüchtlinge in Marienfelde bekommen Hilfe beim Deutschlernen und bei Behördengängen. Nur eine eigene Wohnung haben sie noch nicht. Die Sozialsenatorin will das ändern.

Ein Wohnheim kann kein Zuhause werden: Ein irakischer Flüchtlingsjunge in einer Aufnahmestelle in Deutschland. Bild: AP

Dass Deutschland seine zweite Heimat werden soll, hat Hamid Najm akzeptiert. Dass es das werden kann, dafür brauchen seine Familie und er eine eigene Wohnung, und zwar dringend. "In die Sache muss jetzt Dynamik kommen", forderte Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linke) am Mittwoch nach einem Besuch bei der Familie.

Die Najms waren die ersten irakischen Flüchtlinge, die im April nach Berlin kamen (taz berichtete). Gemeinsam mit inzwischen knapp 50 weiteren Irakern leben sie seitdem im Notaufnahmelager Marienfelde - eine "Übergangssituation", wie es Knake-Werner nannte. "Die Familien aus dem Irak haben die typischen Probleme, die ankommende Flüchtlinge haben, und das ist vor allem die Wohnungssuche", bestätigte Sozialpädagogin Aldona Bilici. Sie betreut die Flüchtlinge regelmäßig. Gut ausgebildet seien die meisten, offen und bereit, sich zu integrieren, sagte Bilici.

Insgesamt sollen bis Dezember 125 Menschen aus Flüchtlingslagern in Syrien und dem Libanon ankommen; Ziel ist, ihnen hier langfristig ein Zuhause zu geben. Im Gegensatz zu Asylbewerbern erhalten sie sofort eine Aufenthaltsgenehmigung zunächst für drei Jahre und damit die Möglichkeit zu arbeiten.

Die Flüchtlinge gelten als besonders schutzbedürftig, weil sie einer religiösen Minderheit angehören, traumatisiert oder krank sind. Bei den Najms leidet die 14 Jahre alte Tochter an einem Herzfehler. Niemand in Syrien, wohin die Familie aus dem Irak geflohen war, konnte ihr helfen. In Deutschland wird sie nun medizinisch betreut. Zwei jüngere Geschwister gehen in die Grundschule, ein Kind besucht einen Integrationskurs. Auch die Eltern lernen zweimal in der Woche Deutsch mit einer Frau, die ins Notaufnahmelager kommt. Der irakische Kulturverein unterstützt, wo er kann. "Das ist eine wichtige Hilfe für uns", sagte Najm. "Die Mitarbeiter übersetzen und erklären die Gesetze."

Der Senat ermöglichte dem Kulturverein mit zwei öffentlich geförderten Stellen, ein Büro vor Ort zu eröffnen. Einmal in der Woche kommt zudem eine Senatsmitarbeiterin, die bei der Wohnungssuche helfen soll. Als Bevorzugung gegenüber anderen Flüchtlingsgruppen empfindet das Senatorin Knake-Werner nicht. Sie hoffe vielmehr, nun eine Dauerlösung auch für die 143 geduldeten Iraker in Berlin zu finden. Deren Asylantrag ist abgelehnt, sie werden derzeit nur wegen der instabilen Lage in ihrer Heimat nicht abgeschoben. "Für die, die schon hier sind, ist das eine problematische Situation", sagte Knake-Werner. Sie sei indes zuversichtlich, dass die Gespräche mit Innensenator Ehrhart Körting (SPD) zu einem positiven Ergebnis führten.

In Marienfelde leben die Familien beengt, die Kontakte beschränken sich meist auf Aussiedler, die auch dort wohnen. "Wir fühlen uns isoliert", sagte Ann-Almunier aus Bagdad. Die 35-Jährige wünscht sich ebenfalls nichts sehnlicher als eine Wohnung, um neu anfangen zu können.

An den Behördengängen und teils komplizierten Rechtswegen, mit denen alle Hartz-IV-Empfänger umgehen müssen, können die am Mittwoch angereisten Politiker zwar nichts ändern - trotzdem könnte in die Sache Bewegung geraten. Der Bezirksbürgermeister von Tempelhof-Schöneberg, Ekkehard Band (SPD), äußerte ebenfalls Kritik an der schleppenden Ausquartierung und bot umfassende Unterstützung an. "Das Thema Wohnung stand bei der Ankunft ganz oben auf der Agenda, und bisher ist keine einzige Familie aus dem Lager weggekommen", sagte er.

Hamid Najm möchte jetzt gern eine Wohnung, die in der Nähe liegt; seine Kinder sind dabei, in der Umgebung Fuß zu fassen. "Ich brauche einen Mittelpunkt, damit ich unser Leben hier neu planen kann", sagte er.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!