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Institut der deutschen WirtschaftLob für Hartz IV

Die Diskussion um Hartz IV hält weiter an. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft will bewiesen haben, dass die neuen Billigjobs keine Vollzeitstellen ersetzt haben.

Die Studie belegt auch, dass arbeiten gehen sich lohnt. Bild: ap

BERLIN taz | Hat Hartz IV Arbeitsplätze geschaffen - oder im Gegenteil Vollzeitstellen vernichtet? In diese Debatte hat sich nun das wirtschaftsnahe Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) eingeschaltet. In einer neuer Studie kommt es zu dem Befund, dass die Agenda 2010 für viele Geringqualifizierte ein "Sprungbrett in den Beruf" gewesen sei, weil neue "flexible Jobs" entstanden seien.

Auch Kritiker der Agenda 2010 würden nie leugnen, dass die atypischen Beschäftigungsverhältnisse stark zugenommen haben - ob es nun Minijobs, Teilzeitstellen oder Leiharbeit sind. Ihre Befürchtung ist jedoch, dass diese "Billigjobs" reguläre Vollzeitstellen verdrängen. Dafür kann zumindest das IW keinerlei Anzeichen erkennen: Der Anteil der unbefristet Vollzeitbeschäftigten an der erwerbsfähigen Bevölkerung sei nicht zurückgegangen, sondern liege konstant bei knapp 40 Prozent. "Es wurden zusätzliche Stellen geschaffen."

Die Agenda 2010 wurde im Frühjahr 2003 vom damaligen Kanzler Gerhard Schröder angekündigt. Die IW-Studie hat daher ausgewertet, wie sich die individuellen Erwerbsverläufe zwischen 2003 und 2008 entwickelt haben. Dazu wurden die Daten des sozio-ökonomischen Panels herangezogen, das einmal jährlich die immer gleichen 12.000 Haushalte befragt. Die IW-Forscher ermittelten, dass 78 Prozent der unbefristet Vollzeitbeschäftigten auch fünf Jahre später noch eine unbefristete Stelle hatten. "Nur 11 Prozent der Vollzeiter wurden arbeitslos oder zogen sich vom Arbeitsmarkt zurück." Gleichzeitig konnten aber fast die Hälfte der befristet Vollzeitbeschäftigten in eine unbefristete Stelle aufsteigen.

Schwierig, so das IW, sei es eigentlich nur für die geringfügig Beschäftigten. Von ihnen ergatterten nur 12 Prozent eine unbefristete Vollzeitbeschäftigung, während 22 Prozent entweder arbeitslos wurden oder einfach aus dem Berufsleben ausschieden.

Und noch eine IW-Erkenntnis: Arbeit lohnt sich. Wer 2003 arbeitslos war und dann eine Teilzeitstelle, einen Minijob oder eine befristete Vollzeitstelle fand, konnte sein Nettohaushaltseinkommen um 10 bis 25 Prozent steigern.

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5 Kommentare

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  • DW
    Dr. Wolfgang Fabricius

    Lohndumping statt Arbeitsplatzabbau

    Hartz-IV hat zwar keine Arbeitsplätze gekostet, aber zu Lohndumping geführt. Das mittlere Äquivalenzeinkommen (s.wikipedia) in Deutschland war 2006 gegenüber 2003 um 310 Euro/Monat abgesunken. Die Zahl der jährlichen Arbeitsstunden ist aber mit 102851 Millionen im Jahr 2003 und 102866 Millionen im Jahr 2006 praktisch gleich hoch geblieben. Bezogen auf das mittlere Äquivalenzeinkommen sind das 2.60 Euro/Stunde, die ein Erwerbstätiger pro Stunde weniger erhält. Kein Wunder, dass der IdW Hartz-IV lobt.

  • JK
    Juergen K

    IST DAS NICHT TOLL ?

     

    Nur 11% haben seit dem keinen Vollzeitjob mehr.

     

    Nur 11 %.

  • A
    Aragorn

    Ich frage mich manchmal wirklich ob diese „IW-Forscher“ auf unseren Planeten leben. Nach Angaben der Bundesregierung vom Dezember 2009 schrumpfte die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten zwischen Juni 1999 und Juni 2008 um 1,4 Millionen oder sechs Prozent auf 22,4 Millionen Menschen. Auf den Vormarsch sind die Teilzeitbeschäftigten mit fünf Millionen Stellen sowie die Mini-Jobber, die in den letzten 6 Jahren auf über sieben Millionen Stellen anstiegen. Besonders deutlich und für jeden sichtbar sind diese Zahlen im Handel, wo viele Vollzeitstellen durch Teilzeit- bzw. Mini-Jobs ersetzt werden. Dank Hartz 4 haben wir in Europa den größten Niedriglohnsektor, so wie Alt-Kanzler Schröder es wollte (Rede von Davos 2005). Eine wichtige Fragestellung haben die „IW-Forscher“ ausgelassen, nämlich: wem nützt es und wo führt es hin? Spannend wird die Geschichte, wenn der Niedrig-Lohn-Enkel seinem Großvati die Rente zahlen soll.

  • RH
    rare hog

    Dr. Marlboro hat in klinischen Tests bewiesen:

    Rauchen ist NICHT gesundheitsschädlich!

  • MM
    mit Majo

    Kein Wunder es ist ein arbeitgebernahes Wirtschaftsforschunginstitut.

     

    Es wird von Verbänden und Unternehmen der privaten Wirtschaft finanziert. Trägervereine sind die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Bundesverband der Deutschen Industrie.

     

    Und wer profitiert von billigsten Arbeitskräften ?