Installative Kunst in Neukölln: Schatten der Geflüchteten

Das Künstlerduo Birgit Auf der Lauer und Caspar Pauli forscht über Grenzen, Flucht und Migration.

Birgit Auf der Lauer und Caspar Pauli, „Wegskizze – Grenzlinie“, 2016 Foto: Birgit Auf der Lauer & Caspar Pauli

Erzählungen über Flucht visuell zu übersetzen – Birgit Auf der Lauer und Caspar Pauli haben dafür ein ebenso behutsames wie treffendes Bild gefunden: den Schatten. Installativ lassen sie in der Galerie im Saalbau Kartenausschnitte, Wegskizzen, Notizen sich überlagern, in kontinuierlichen Drehbewegungen projiziert auf eine Leinwand wird das kaum Fassbare zum ornamentalen Schattentheater.

Umfangreiche Recherchen gingen der Arbeit des Künstlerduos voraus. Auf der Lauer und Pauli forschten über Fluchtrouten, Schlepper und Schleuser, damals wie heute, durchforsteten Archivmaterial über Westberliner Banden aus den 1960er bis 1980er Jahren und sprachen mit heutigen Schleusern an der griechisch-türkischen Grenze, ergänzten damit die visuelle mit einer auditiven Ebene.

Und so gelingt ihnen der Spagat, sowohl die Subjektivität des Erlebens und die individuelle Geschichte wie auch Kontinuitäten und wiederkehrende Muster darzulegen.

Eine weitere Arbeit verknüpft das Thema mit dem Konzept des Sehens im Islam in Form einer Zeitung. Bei einer Performance am Sonntag wird sie zum 6.000 Kilometer langen Erzählstrang.

taz: Welche Ausstellung in Berlin hat euch zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum?

Birgit Auf der Lauer & Caspar Pauli: Martin Eder bei Eigen und Art, da bleibt nachhaltig die Spucke weg oder tropft stetig aus dem Mundwinkel, je nachdem … Das einzige Mal, wo wir uns positiv ans Einschlafen in einer Ausstellung erinnern: Mit zig anderen unbekannten Menschen auf Matratzen im Martin Gropius Bau einschlummern, während des Zero Performance Marathons (2015).

48 Stunden Neukölln:

Performance „Nach Mekka blicken“, 25. 6., 17 Uhr

Bis 3. 7., Di.–So. 10–20 Uhr, Karl-Marx-Str. 141

Welches Konzert oder welchen Klub in Berlin könnt ihr empfehlen?

Einmal mitten durch die hippe Schneise fahren: Mit der U 8 von Neukölln nach Wedding freitags ab 21 Uhr.

Welche Zeitschrift/welches Magazin und welches Buch begleitet euch zurzeit durch den Alltag?

Koran und Le Monde diplomatique, Lisa Fittko „Mein Weg über die Pyrenäen“, Günther Grass „Vonne Endlichkait“, Navid Kermani „Ungläubiges Staunen“, Anna Seghers „Transit“, Robert Macfarlane „Karte der Wildnis“, Michel Houellebecq „Karte und Gebiet“, Seneca „Von der Kürze des Lebens“.

Was ist euer nächstes Projekt?

Birgit Auf der Lauer und Caspar Pauli arbeiten seit ihrem Studienabschluss im Jahr 2011 an der UdK
und KHB als Künstlerduo. Ihre Arbeit widmet sich den unbekannteren Erzählungen zu gesellschaftlichen Umbrüchen, Fluchthilfe, Mobilität und Migration. Detaillierte Recherchen zu den Themen werden in unterschiedlichen Formaten wie Installationen, Walks und Performances der Öffentlichkeit präsentiert. Momentan ist ihre Ausstellung „Bizim Deniz“ (türkisch: unser Meer) in der Galerie im Saalbau Neukölln zu sehen.

Wir werden im Herbst einen performativen Walk für die Akademie der Künste der Welt in Köln entwickeln. Eine Adaption und Weiterentwicklung der Stadtwanderung „Grenzfährservice III“ am Maxim Gorki Theater. Es geht um Geschichten von Schleusern, die heute und früher tätig waren.

Einige dieser Spezialisten haben wir in der Türkei selbst mal getroffen, und deren Geschichten an besonderen Orten in der Stadt zu hören, „gives you goose bumps“. Unsere aktuelle neue Arbeit ist am 25. Juni zu sehen, wir performen 6.000 Kilometer: Den Weg von Berlin nach Mekka in der Galerie im Saalbau Neukölln.

Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht euch am meisten Freude?

Die sozialistisch anmutende Symmetrie bei Sonnenuntergängen im Mai über der Sonnenallee.

Text und Interview erscheinen im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer Donnerstags in der Print ausgabe der taz

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