Insasse misshandelt: Pentagon gibt Guantánamo-Folter zu
Eine Vertreterin des Pentagons räumt ein, dass in Guantánamo gefoltert wurde, plädiert aber für fortdauernde Haft der "gefährlichen Männer".
WASHINGTON rtr Eine hochrangige Vertreterin der US-Regierung hat die Folter von Häftlingen im US-Gefangenenlager Guantánamo eingeräumt. Der wegen der Planung der Anschläge vom 11. September angeklagte Mohammed Al-Kahtani sei dort 2002 misshandelt worden, sagte Susan Crawford, die im Verteidigungsministerium für die Kontrolle der Militärtribunale im Lager zuständig ist.
"Wir haben Kahtani gefoltert", sagte sie der Washington Post. "Seine Behandlung entsprach der rechtlichen Definitionen von Folter." Deshalb habe sie die Anklage gegen Kahtani wegen Kriegsverbrechen im Mai 2008 zurückgewiesen, erklärte die ehemalige Richterin. Präsident George W. Bush und sein Vize Dick Cheney haben wiederholt erklärt, die USA foltere nicht. Crawford berichtete von Demütigungen Kahtanis. Dieser sei gezwungen worden, nackt vor einer weiblichen Ermittlerin zu stehen. Er sei an 48 von 54 Tagen jeweils 18 bis 20 Stunden verhört worden. Ihm sei ein BH angezogen und ein Tanga-Slip über den Kopf gezogen worden. Außerdem sei Kahtani durch einen Militärhund eingeschüchtert und an der Hundeleine durch den Raum geführt worden. Seine Mutter und Schwester hätten die Militärs als Huren beschimpft.
Dies seien genehmigte Methoden gewesen, die jedoch übermäßig aggressiv und zu langandauernd angewendet worden seien, sagte Crawford: "Es war die Kombination vieler Dinge, die seine Gesundheit verletzte. Es war beleidigend und unangebracht." Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte dem Blatt, die "angewendeten Spezialmethoden" seien seinerzeit rechtmäßig gewesen.
Kahtani war im Januar 2002 in Afghanistan festgenommen und nach Guantanamo gebracht worden. Ihm war 2001 die Einreise in die USA verweigert worden. Der Anklage zufolge hat er die Anschläge vom 11. September 2001 mit geplant und hätte der 20. Flugzeugentführer sein sollen.
Crawfard bezeichnete Kahtani als einen "sehr gefährlichen Mann", den man unter keinen Umständen freilassen dürfe.
Diese international stark kritisierte Haltung, Gefangene ohne Anklage und Verurteilung festzuhalten, versucht auch das US-Verteidigungsministerium erneut zu rechtfertigen. Am Dienstag erklärte das Pentagon, 61 frühere Gefangene des US-Lagers Guantánamo seien nach ihrer Freilassung anscheinend zum Terrorismus zurückgekehrt. In 18 Fällen lägen entsprechende Beweise vor, sagte Ministeriumssprecher Geoff Morrell. Bei 43 weiteren deuteten Geheimdienstinformationen darauf hin. Damit sei die vermutete Rückfallquote auf elf Prozent gestiegen. In einem Bericht vom März 2008 war die Quote mit sieben Prozent angegeben worden. Morrell wollte weder Namen nennen noch sagen, in welche Länder die ehemaligen Guantánamo-Insassen entlassen wurden.
Der gewählte US-Präsident Barack Obama will Guantánamo schließen und dies nach Angaben eines Beraters möglicherweise schon in der ersten Woche nach seinem Amtsantritt anordnen. Rund 255 Männer sitzen noch in dem Lager.
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