„Innovationscampus“ in Spandau: Furcht vor Verdichtung

Bei einer Bürgerbeteiligungsveranstaltung bekommen die Pläne zur neuen Siemensstadt wenig Gegenwind. Anwohner fürchten vor allem mehr Verkehr.

Cedrik Neike (links), Mitglied des Vorstands der Siemens AG, und Michael Müller (SPD), Berlins Regierender Bürgermeister, bei der Vorstellung der Pläne im Januar 2020 Foto: dpa

Eine „Stadt der Zukunft“ soll sie werden, „innovativ, digital und ökologisch“, mit einer „Strahlkraft weit über Berlin hinaus“ – wenn Senats- und Konzernvertreter*innen zusammenkommen, um über den von Siemens geplanten neuen Stadtteil in Spandau zu sprechen, scheint kaum eine Formulierung groß genug.

Organisiert von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen wurde am Dienstagabend während einer Online-Dialogveranstaltung der aktuelle Stand der Planung der Siemensstadt 2.0 präsentiert. Interessierte Bürger*innen konnten Fragen stellen und Einwände äußern. Die Dialogveranstaltung fand im Rahmen der „frühzeitigen Bürgerbeteiligung“ statt, die im Planungsrecht vorgesehen ist. Vorgesehen ist, bis 2022 die rechtlichen und planerischen Grundlagen zu schaffen, um dann mit den Bauarbeiten zu beginnen. Bis dahin wird es auch immer wieder Beteiligungsformate zu den einzelnen Planungsabschnitten geben. Mit einer Fertigstellung ist laut Siemens nicht vor 2030 zu rechnen.

Siemens plant, ein über 70 Hektar großes, bisher als reines Werksgelände genutztes Areal zu einem futuristischen „Innovations-Campus“ umzubauen, das Forschung, Produktion und Wohnen miteinander vereint. Starken Gegenwind bekam das Großprojekt in der Dialogveranstaltung nicht. Sorgen gab es vor allem wegen der hohen Verdichtung, die für den Bezirk ungewohnt ist. Die unmittelbare Nähe von Industrieproduktion, stark befahrenen Straßen und der S-Bahn sei „gesunden Wohn- und Lebensverhältnissen nicht zuträglich“, so Anwohner Volker Hormann. Er vermutet hinter der hohen Baudichte eher Profitinteresse als eine sinnvolle Umsetzung von integrierten Arbeiten und Wohnen.

Weitere Sorgen bezogen sich auf die ohnehin schon ausgelasteten Zufahrtsstraßen, die mit Vollendung des neuen Stadtteils zu überlasten drohen. Siemens-Manager Melcher erwiderte, dass in zehn Jahren die Verkehrswende so weit fortgeschritten sei, sodass man sich über verstopfte Zufahrtsstraßen keine Sorgen machen müsse. So ganz scheint man bei Siemens auf die Verkehrswende nicht zu vertrauen, denn in dem vorgestellten Rahmenplan sind auch viele Parkhäuser vorgesehen. Auch von „autofrei“ will man nichts mehr hören, stattdessen formuliert Melcher vorsichtig: „Motorisierter Individualverkehr wird nicht im Vordergrund stehen.“

Dabei hat der Senat Siemens versprochen, die 1980 stillgelegte Siemensbahn wieder zu reaktivieren. Die Kosten dafür dürften sich Schätzungen zufolge in ähnlichen Sphären wie die mit 600 Millionen Euro veranschlagte Investitionssumme des Großkonzerns bewegen. Wie „innovativ, digital und ökologisch“ die Siemensstadt tatsächlich wird, wird sich also noch zeigen müssen.

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