Innovation im Eissport: Drei Kleine werden groß
In Oberstdorf richten Eiskunstlauf, Shorttrack und Curling gemeinsam Deutsche Meisterschaften aus. Alle erhoffen sich davon mehr Aufmerksamkeit.
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„Die Idee ist einfach großartig.“ Alexander König kann mit dem Schwärmen gar nicht mehr aufhören, wenn er an die Deutschen Meisterschaften der Eissportarten denkt, die ab Montag erstmals gemeinsam im Eiskunstlauf, Shorttrack und Curling ausgetragen werden und eine ganze Woche dauern werden. „Ich werde die ganze Zeit in Oberstdorf sein und mir so viel wie möglich anschauen“, sagt der Berliner.
Bis in die 1990er-Jahre war er selbst aktiver Eiskunstläufer. Später führte er als Trainer das Paar Aljona Savchenko/Bruno Massot zum Olympiasieg. Als die Deutsche Eislauf-Union seine Dienste nicht mehr zu brauchen meinte, wechselte er in die Deutsche Eisschnelllauf- und Shorttrack-Gemeinschaft, wo er heute Bildungsreferent ist.
„Wir sind doch alle drei Randsportarten“, sagt König der taz. „Zu Deutschen Meisterschaften kommen normalerweise vielleicht Mama und Papa als Zuschauer, aber sonst kaum jemand. Wenn da jetzt die Sportler und Trainer der anderen Sportarten die Chance haben, mal zuzuschauen, gibt es nur Gewinner.“
Alexander König, Ex-Eislauftrainer
Auch Markus Tröger, Sportdirektor des Deutscher Curling-Verbandes, begrüßt das Zusammenlegen. „Großveranstaltungen ziehen immer mehr Publikum an. Das ist für alle gut.“
Skitouristen in die Halle!
Minerva Hase, die gerade gemeinsam mit ihrem Eispartner Nikita Volodin das Grand-Prix-Finale im Eiskunstlauf-Paarlaufen gewonnen hat, freut sich ebenfalls. „Vielleicht schauen ein paar mehr Skitouristen in den Eishallen vorbei, wenn man in drei Sportarten vom Nachwuchs bis zur Meisterklasse sich alle unter einem Dach anschauen kann“, sagt sie.
Sollte das vorhergesagte Wetter für Oberstdorf eintreffen – mit leichten Plusgraden und ein wenig Regen – dann könnten tatsächlich etliche Skitouristen lieber als Zuschauer in die Eishallen gehen als auf die Piste.
Bei so viel Zuspruch fragt man sich, warum die Sportverbände nicht schon eher auf die Idee des Miteinanders gekommen sind. „Das ist organisatorisch nicht einfach, denn der Termin einer Meisterschaft muss in den internationalen Wettkampfkalender unserer Sportarten passen“, sagt Markus Tröger vom Curling-Verband.
Und genau genommen waren es auch nicht die Sportverbände, die die Idee geboren haben, sondern der Eissport Club Oberstdorf ECO. In ihm sind alle drei Sportarten zu Hause. Er verfügt über einen Komplex aus drei Eishallen unter einem Dach, in die man über einen gemeinsamen Eingangsbereich gelangt. Jede Sportart erhält eine eigene Halle, denn für jede Sportart ist eine andere Eisqualität gefragt. Und die Qualität des Eises ist in dem Gebirgsort mit frischem Quellwasser legendär.
Oberstdorf feiert
Vor allem aber: Der ECO feiert seinen 100. Geburtstag und hat nach einem Event gesucht, um sich selbst in Szene zu setzen. Drei nationale Meisterschaften auf einmal – das zieht sogar Bayerns Ministerpräsident Markus Söder an. Bei einer einzigen Meisterschaft wäre die Politik wohl höchstens durch den Ortsbürgermeister von Oberstdorf vertreten gewesen.
Oberstdorf verspricht seinen Zuschauern Weltklassesportler. Das sind im Eiskunstlauf neben Minerva Hase/Nikita Volodin die Eistanz-Lokalmatadoren Jennifer Janse van Rensburg/Benjamin Steffen, die um ihren vierten nationalen Meistertitel kämpfen sowie hoffnungsvolle Junioren.
Um Höchstgeschwindigkeit geht es am Freitag und Samstag bei den Wettbewerben: Die besten Shorttracker fliegen direkt von der ISU World Tour aus Asien ein, um in Oberstdorf die nationalen Meisterschaften auszutragen.
Und im Curling konnten sich die deutschen Herren kürzlich in Finnland EM-Gold sichern, darunter mit Felix Messenzehl und Johannes Scheuerl auch zwei Sportler des EC Oberstdorf.
Publikumshöhepunkt wird am Samstagabend die Schaulauf-Gala mit den Medaillengewinnern im Eiskunstlaufen. Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums wird die Show durch Gastauftritte von Special-Olympics-Sportler und Athleten des Shorttrack bereichert. Außerdem wird es Livemusik in Zusammenarbeit mit dem Gymnasium Oberstdorf geben.
Ein wenig Kritik gibt es bei allen Vorschusslorbeeren dann doch: Für viele Nachwuchssportler sei das Großevent einfach zu teuer, weil sie länger Unterkünfte in Oberstdorf mitten in der Skisaison buchen müssen, sagt die Mutter eine Nachwuchsläuferin der taz, die namentlich nicht genannt werden will. „Auch schulfrei ist für eine ganze Woche nicht selbstverständlich.“
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