Innere Sicherheit: Polizei weniger bereit
Polizisten wollen nach Dienstschluss nicht mehr erreichbar sein, aus Protest gegen die Besoldungspläne des Senats. „Nicht akzeptabel“ nennt das der Polizeipräsident.
Führende Bremer Polizeibeamte und alle Angehörigen der Bereitschaftspolizei haben erklärt, ihre „ständige Erreichbarkeit“ aufzukündigen. Wie die Gewerkschaft der Polizei (GDP) am Dienstag mitteilte, hätten die PolizistInnen beschlossen, ihre Diensthandys auf den Revieren zu lassen und auch ihre privaten Nummern aus dem „telefonischen Alarmierungssystem“ streichen zu lassen. Sie protestieren damit gegen die Pläne des Bremer Senats, die Beamtenbesoldung nicht komplett an die aktuelle Tariferhöhung der Angestellten des öffentlichen Dienstes anzupassen.
„Auf extrem kritische Situationen kann die Polizei damit nur verzögert reagieren“, heißt es weiter. Bei den „am besten ausgerüsteten und trainierten Polizisten“ gehe es um Einsätze bei Auseinandersetzungen im Rockermilieu, Hausbesetzungen, nächtliche Krawalle im Viertel oder Geiselnahmen, so der stellvertretende GDP-Landesvorsitzende Heinfried Keithahn zur taz. Bei Großeinsätzen und kapitalen Verbrechen waren viele Beamte auch nach Dienstschluss abrufbereit. Nun müsste im Notfall eben ein Streifenwagen eine Runde drehen und den PolizistInnen persönlich Bescheid geben, „so wie vor 25 Jahren“, so Keithahn.
Für Polizeipräsident Lutz Müller überschreiten die Polizisten eine Grenze. Er erklärte, die „offene Drohung mit Arbeitsverweigerung“ sei „nicht akzeptabel“ und nicht vereinbar mit der Rolle der Polizei als Sicherheitsbehörde. Er habe angewiesen, die Telefonnummern nicht aus dem Alarmierungssystem zu nehmen und prüft, ob zusätzliche Rufbereitschaften eingeführt werden müssten. „Sicherheitslücken für die Bevölkerung dürfen nicht entstehen“, so Müller.
Terminlich ist die Aktion gut abgestimmt: In der heute beginnenden Landtags-Sitzung der Bürgerschaft wird ein Vorschlag zur „Anpassung der Besoldungs- und Beamtenversorgungsbezüge“ debattiert. Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) und Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) planen, den Tarifabschluss, wie er für die Angestellten ausgehandelt wurde, für Beamte nur gestaffelt zu übernehmen: Hohe Besoldungsgruppen bekommen keine Erhöhung, für die anderen gibt es ein Prozent, nur für untere Besoldungsgruppen steigt der Verdienst ab Juli um 2,65 Prozent. Die vollständige Angleichung hätte Bremen überfordert, hieß es dazu vom Senat. Mehr Geld müsste dann anderswo, etwa durch Stelleneinsparungen, erwirtschaftet werden, erklärte Finanzsenatorin Linnert. Dies sei „ebenso wenig vertretbar wie noch mehr Schulden“.
Die GDP indes verweist auf 275.000 Überstunden, die sich bislang angesammelt hätten und die Heraufsetzung des Pensionsalters für PolizistInnen von 60 auf 62 Jahre. Der Haushalt werde auf dem Rücken der Beamten konsolidiert. „Irgendwann reicht es“, so GDP-Vize Keithahn.
SPD-Innenpolitiker Sükrü Senkal sagte, die Aktion zeige, wie zugespitzt die Lage ist, „das gilt aber auch für den Haushalt“. Ähnlich sieht das Björn Fecker, innenpolitischer Sprecher der Grünen. Deutliche Unterstützung bekommt die Polizei von der Linkspartei, die in der Landtagssitzung mit einem eigenen Antrag die Angleichung der Beamtenbesoldung an die Tariferhöhung des öffentlichen Dienstes fordert. Für Linken-Fraktionschefin Kristina Vogt ist die Aktion „nur konsequent“. Man müsse der Bevölkerung klar machen, was auf dem Spiel stehe. Für CDU-Innenpolitiker Wilhelm Hinners gefährdet Finanzsenatorin Linnert mit „ihrer Zwei-Klassen-Tarifpolitik“ die innere Sicherheit.
Innensenator Mäurer wollte die Aktion nicht kommentieren, sein Ressortsprecher Rainer Gausepohl verwies auf die Erklärung des Polizeipräsidenten.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Überraschung bei U18-Wahl
Die Linke ist stärkste Kraft
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?
Ukraine-Verhandlungen in Saudi-Arabien
Wege und Irrwege aus München
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben