Innensenator über irakischer Flüchtlinge: "Die meisten bleiben auf Dauer"
Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) geht davon aus, dass die irakischen Flüchtlinge auf Dauer in Deutschland bleiben werden. Eine Beschränkung auf Christen soll es nicht geben.
taz: Herr Körting, Deutschland will 2.500 Flüchtlinge aus dem Irak aufnehmen, die Europäische Union insgesamt bis zu 10.000. Ist das angesichts des Dramas, das sich im Irak und den Nachbarländern abspielt, nicht etwas dürftig?
Ehrhart Körting: Nein, man darf nicht von den 2 Millionen Flüchtlingen ausgehen, die sich in Syrien und Jordanien aufhalten. Auch die Flüchtlingsorganisationen gehen davon aus, dass die meisten von ihnen in den Irak zurückkehren werden. Vielleicht 3 Prozent können das nicht - und einen Teil von ihnen nehmen wir auf. Ich bin sehr froh, dass wir diesen Schritt tun.
Die Flüchtlinge werden in Deutschland nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel verteilt. Berlin wird also etwa 200, NRW als bevölkerungsreichstes Land 500 Menschen aufnehmen. Das kann doch nicht die Grenze sein.
In Berlin sind es sogar nur 130. Aber man muss das anders sehen: Wir haben jetzt über ein halbes Jahr über die Aufnahme debattiert und haben nun endlich eine gemeinsame europäische Lösung. Die Bundesrepublik nimmt 2.500 Flüchtlinge auf. Das ist ein guter Schritt. Und es muss ja nicht der letzte sein.
Wann werden die ersten Flüchtlinge nach Deutschland kommen, und wer wählt sie aus?
Ich gehe davon aus, dass die ersten Flüchtlinge im ersten Quartal 2009 kommen werden. Jeweils 500 von ihnen werden im Durchgangslager Friedland aufgenommen, das früher für Aussiedler war. Sie werden dort einen Schnellkurs für Deutschland erhalten. Ausgewählt werden sie gemeinsam vom UN-Flüchtlingshilfswerk und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Haben Christen Priorität?
Nein, wir haben uns bewusst nicht auf Christen beschränkt. Es geht um besonders gefährdete Menschen, die nicht in den Irak zurückkehren können. Das trifft besonders auf religiöse Minderheiten zu. Deshalb werden viele der Menschen Christen sein.
Die meisten Flüchtlinge werden also in Deutschland bleiben. Was für einen Aufenthaltsstatus bekommen sie?
Wir wollen die Flüchtlinge nicht durch irgendein Verfahren schicken, sondern sie werden eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre bekommen. Der ganz, ganz große Teil der Menschen wird auf Dauer bleiben.
Warum dann eine Befristung?
Mit der Aufenthaltserlaubnis bekommen die Menschen gleich die Möglichkeit, hier berufstätig zu werden.
Deutschland nimmt damit erstmals teil an einem "Resettlement"-Programm des UNHCR, mit dem Flüchtlinge langfristig woanders angesiedelt werden. Bedeutet das eine Veränderung der deutschen Flüchtlingspolitik?
Es ist ein Abweichen von der bisherigen Linie, bisher hat die Bundesrepublik an solchen Ansiedlungsprogrammen nicht teilgenommen. Das lag auch daran, dass wir viele Flüchtlinge und Asylbewerber hatten. Das hat sich verändert. Es ist gut, dass wir uns nun beteiligen, das ist eine neue Qualität. INTERVIEW: SABINE AM ORDE
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