Innensenator testet Waffenblockiersystem: Körting stellt sich in die Schusslinie
Innensenator Körting macht sich für eine Verschärfung des Waffengesetzes stark: Er will, dass alle Waffen mit Blockiersystemen gesichert werden müssen. In einem Laden am Alexanderplatz lässt er sich die Technik vorführen.
Der Innensenator lässt die Finger von den Waffen. Vor Ehrhart Körting (SPD) auf einem Tisch, schön auf grünem Samt drapiert, liegen ein Revolver, eine Pistole, eine Repetierbüchse und zwei Flinten. Ein Fotograf möchte den Senator mit Revolver knipsen. Doch Körting weigert sich. "Ich nehme so was nicht in die Hand." Stattdessen greift er nach einem Ding mit Griff und einem langen Stiel daran. Es sieht aus wie ein hochgerüsteter Schraubenzieher - mit dem Gerät kann man Waffen blockieren und entsichern.
In der bundesweiten Diskussion über Waffen, die nach dem Amoklauf von Winnenden neu entbrannt ist, macht Körting aus seiner Abneigung gegen Schießeisen keinen Hehl: Er gehört zu jenen, die den privaten Besitz von Pistolen und Gewehren weiter einschränken wollen. So fordert der Senator nicht nur Obergrenzen für die Zahl der Waffen von Jägern und Schützen. Er setzt sich nun auch dafür ein, dass alle Knarren blockiert werden.
Damit das jeder mitkriegt, ist Körting am Freitagmorgen in das Waffengeschäft am Alexanderplatz gekommen. "Eduard Kettner" steht in Frakturschrift über dem Laden, daneben "Suhler Jagdhütte". Im Schaufenster werden zwischen Wagenrädern traditionelle Kleider ausgestellt. Ein eigenartiger Kontrast zum städtisch-kühlen Alex.
Drinnen lässt sich Körting vor versammelter Medienschar über die Vorzüge der Blockiersysteme aufklären - die er natürlich längst kennt. Bernd Dietel schiebt einen silbernen Stift in den Lauf des Revolvers. Er ist der Geschäftsführer der Firma Armatix, die die Systeme anbietet. Es macht "klick", dann ist die Waffe gesichert. Wer den Stift wieder entfernen will, muss den elektronischen Schraubenzieher ansetzen und einen zwölfstelligen PIN eingeben - oder per Daumenabdruck nachweisen, dass er die Waffe nutzen darf. Körting fährt mit dem Finger über den Griff, es blinkt rot. Er lacht. "Sehen Sie? Ich bin nicht berechtigt, das Gerät zu bedienen."
Dietels Firma hat die Blockiersysteme nach dem Amoklauf von Erfurt entwickelt. Sieben Jahre habe das gedauert und 12 Millionen Euro gekostet, berichtet er. Die Investition dürfte sich lohnen: Seit der Änderung des Waffengesetzes 2008 müssen jene, die ein Schießeisen geerbt haben, nachweisen, dass sie damit umgehen können - oder die Knarre blockieren.
200 Euro kostet eine einfache Sicherung. Eine zumutbare Summe, findet Körting. Mit anderen SPDlern setzt er sich für die Verschärfung des Waffengesetzes ein. Bei der Innenministerkonferenz im Juni sollen mögliche Ergebnisse vorgestellt werden, so Körtings Sprecherin.
"Kikeriki". Während der Senator für das Foto posiert, klingelt das Handy eines Reporters. "Wir sind offensichtlich auf der Entenjagd", flachst Körting. In Berlin wirkt das Getue um Jäger, Schützen und ihre Gewehre weit weg. Doch so ist es nicht: Laut Innenverwaltung gibt es im Land 57.000 gemeldete Waffen, 24.000 davon sind Kurzwaffen wie Revolver oder Pistolen, 33.000 Langwaffen. Sie verteilen sich auf insgesamt 19.000 Personen. Wie viele Knarren sonst noch im Umlauf sind, weiß niemand. Bundesweit sollen auf jede legale Waffe zirka zwei illegale kommen.
Deren Besitzer würden auch neue Gesetze nicht erreichen. "Absolute Sicherheit wird man nicht haben, das ist eine Illusion", sagt Körting. "Ich bin mir im Klaren darüber, dass sich so etwas wie Winnenden nicht völlig verhindern lässt." Die Blockiersysteme würden den Zugang zu Waffen aber zumindest erschweren. Verstöße müsste man natürlich ahnden. "Ich hätte keine Skrupel, in solchen Fällen eine Geld- oder Freiheitsstrafe zu verhängen."
Wenn schon der Senator Berührungsängste gegenüber Waffen hat, sollen zumindest die Journalisten zupacken. Der Verkäufer, ein Herr in grauer Jacke mit Hornknöpfen, muntert sie auf. "Sie brauchen keine Angst haben, fassen Sie die Waffen ruhig an." Doch auch ungeladene Schießeisen sind nicht ohne. Der Verkäufer warnt: "Stecken Sie den Finger nur nicht vorne in den Lauf. Den hat schon manch einer nicht mehr rausgekriegt."
ANTJE LANG-LENDORFF
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel