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Inguschetiens Regierung entlassen"Sie drücken sich vor der Arbeit"

Der Präsident der der russischen Teilrepublik will stärker gegen Korruption und Gewalt vorgehen. Derzeit sind Verschleppung und Mord an der Tagesordnung.

Bei einem Anschlag im Juni wurde Inguschetiens Präsident Jewkurow selbst Opfer der alltäglichen Gewalt. Bild: dpa

MOSKAU taz | Junus-Bek Jewkurow, Präsident der russischen Teilrepublik Inguschetien, hat am Montag dieser Woche sein Kabinett entlassen. Neuer kommissarischer Regierungschef ist Alexej Worobjew. Worobjew gilt als Mann der "Siloviki", der eigentlichen Machtstrukturen. Seit Februar leitet er den Apparat der inguschischen Anti-Terror-Kommission, seit dem 24. März ist er auch der Sekretär des Sicherheitsrates Inguschetiens.

Grund der Entlassung, so der Pressedienst der inguschischen Regierung, sei, dass die Regierung im sozialen, wirtschaftlichen und landwirtschaftlichen Bereich eine schlechte Bilanz vorzuweisen habe und in Korruption verstrickt sei. Gewisse Personen, so Jewkurow, der sich den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen geschrieben hat, drückten sich vor der Arbeit. Wenige Stunden nach Jewkurows Erklärung kündigte die Staatsanwaltschaft Inguschetiens ein Strafverfahren gegen den bisherigen Landwirtschaftsminister der Republik, Abukar Gelischanow, wegen Veruntreuung staatlicher Gelder an.

Jewkurow, der bei einem Anschlag am 22. Juni 2009 lebensgefährlich verletzt worden war, hatte im August umfassende Entlassungen angekündigt. Nach dem Selbstmordattentat auf das Milizgebäude von Nasran am 17. August, bei dem 25 Menschen getötet und 136 verletzt wurden, hatte er drei hochrangige Beamte entlassen. Wenig später entließ Russlands Präsident Medwedew den inguschischen Innenminister Ruslan Meiriew.

Inguschetien war in diesem Jahr Opfer einer neuen Welle der Gewalt geworden. Am 10. Juni war Aza Gasgirejewa, die Vizevorsitzende des Obersten Gerichtes der Republik, von Unbekannten erschossen worden, wenige Tage später wurde ein muslimischer Geistlicher Opfer eines Attentats.

Gegenüber der Nachrichtenagentur newsru.com hatte der inguschische Menschenrechtler Magomed Mugolzow Anfang des Jahres von 170 Verschleppten gesprochen, die in den vergangenen sieben Jahren in Inguschetien verschwunden seien. In dem gleichen Zeitraum, so Mugolzow, seien über tausend Menschen getötet worden.

"Mit der Entlassung der Regierung verfolgt Präsident Jewkurow vor allem ein Ziel: Die auch unter seiner Herrschaft noch zahlreich in den Machtstrukturen vertretenen Gefolgsleute seines Vorgängers Murat Sjasikow sollen ersetzt werden durch Politiker, die hinter Jewkurow stehen, nicht in Korruption verstrickt und somit frei sind, seine Politik umzusetzen", sagte die russische Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina von Memorial der taz.

Im Gegensatz zu seinem tschetschenischen Amtskollegen, Präsident Ramsan Kadyrow, wird Inguschetiens Präsident Jewkurow von Menschenrechtlern geschätzt. Als neuer Menschenrechtsbeauftragter Inguschetiens ist derzeit Asamat Nalgiew, der Vorsitzende der Menschenrechtskommission beim inguschischen Präsidenten, im Gespräch. Nalgiew genießt das Vertrauen des Präsidenten und von Menschenrechtsorganisationen wie Memorial.

BERNHARD CLASEN

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1 Kommentar

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  • B
    Benz

    Es ist ein offenes Geheimnis, dass die sog. Menschenrechtler Symphatien für die Untergrundkämpfer hegen und oftmals als deren Sprachrohr aufgetreten sind. Der Nordkaukasus muss nicht nur von korrupten Politikern, sondern von auch von solchen Menschenrechtlern gesäubert werden. (Ganz zu schweigen davon dass sie mit ihrem Engagement für Terroristen die an sich gute Idee der Menschenrechte gründlich diskreditiert haben)