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Ingo Arzt KapitalozänHaben Sie (verdammt noch mal) ein Herz für Banker

An vielen Orten der Welt werden Menschen nicht artgerecht gehalten; es ergeht ihnen wie den Hühnern. In Bürogebäuden, speziell in Banktürmen, ist das etwa so. Selten finden sich dort Grünflächen zum Auslaufen, zum Spielen ist kein Platz, viele Menschen werden aggressiv, picken aufeinander ein, Ärzte verfüttern Antibiotika.

Was dem Huhn die grausame Käfighaltung, das ist dem Menschen: die Tagung. Tagungen sind wie Qualzucht. Besonders schlimm sind Bankentage. Ich selbst habe mit großem ethnologischen Interesse ein halbes Dutzend Bankentage besucht. Die Bilder dort sind schrecklich: Hunderte Menschen werden in pinguinähnliche Uniformen gesteckt, von Krawatten gewürgt und in Kongresshallen gepfercht.

Dort sagen sie Sachen wie: „MREL ist im Standard EBA/RTS eine echte Herausforderung für die Kapitalsituation der Banken nach Basel III.“ Dahinter verbirgt sich die nackte Wut. Würde sie losbrechen, die Banker würden schlimmer wüten als der linke Mob am 1. Mai. Denn eigentlich heißt der Satz: „Das drecksverdammte Schweinesystem knechtet uns Banker! Hass, Hass, Hass wie noch nie! All Bankenaufsichtsbehörden are bastards! ABAB!!“

Aber so weit kommt es selten bis nie auf Bankentagen. Man trägt Blau-Grau oder Weiß-Schwarz. Banker sind biedere Verwalter des Systems. Wobei, einmal, und das werde ich nie vergessen, da sah ich auf einem Bankentag einen, der hatte eine neongrüne Krawatte an. Ich glaube, über den reden sie in der Finanzszene noch heute.

Haben Sie ein Herz für Banker: Die Armen müssen nicht nur auf Tagungen so lange sauerstoffarme Luft inhalieren, bis sie ganz achselschweißig werden, nein, sie werden auch von Rechten und Linken gleichermaßen angefeindet. Die Rechten glauben, dass mächtige Banker und Politiker unter einer Decke stecken, die Nation ausbeuten und die Welt beherrschen. Die Linken glauben, dass mächtige Banker und Politiker unter einer Decke stecken, die Entwicklungsländer ausbeuten und die Welt beherrschen. Die gesellschaftliche Mitte glaubt, dass mächtige Banker und Politiker unter einer Decke stecken, ihnen die verdienten Sparbuchzinsen rauben – und die Welt beherrschen. Selbst mächtige Banker und Politiker, die unter einer Decke stecken, glauben, dass ANDERE mächtige Banker und Politiker unter einer Decke stecken und unter dieser Decke Schweinereien veranstalten. ABAB!

Die Fünftage­vorschau

Do., 3. 5.

Martin Reichert

Herbstzeitlos

Fr., 4. 5.

Peter Weissen­burger

Eier

Mo., 7. 5.

Mithu Sanyal

Mithulogie

Di., 8. 5.

Doris Akrap

So nicht

Mi., 9. 5.

Adrian Schulz

Jung und dumm

kolumne@taz.de

Ich bin der Einzige, der solches Zeug nicht glaubt. Nach all den Bankentagen schwöre ich: Diese Menschen sind Opfer, keine Täter. Oft sah ich Banker in den Pausen gekünstelt und steril Lachshäppchen kauen und oft wollte ich auf einen Tisch steigen und ihnen zurufen: „Werft endlich eure Fesseln ab, oh Knechte des Kapitals. Zieht euch aus, rennt nackend durch die Stadt, wälzt euch im Schlamm, brennt was nieder!“ Aber das ziemt sich als Beobachter nicht. Alles, was ich tun kann: Demeter-Bio-Eier kaufen. Das bringt halt nur den Hühnern was.

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