Inflation in Venezuela: Militär soll Preisstabilität kontrollieren
Kurz vor der Abwertung des Bolívar am Montag stürmten die Venezolaner bereits am Wochenende die Geschäfte. Aus der starken Währung ist längst schon wieder eine schwache geworden
HAMBURG taz | Die Parfümerie am internationalen Flugplatz Maiquetía Simón Bolívar von Caracas ist schon seit Monaten verwaist. Bereits im Juni letzten Jahres hatten die Verkäufer die Regale ausgeräumt, um weitere Verluste zu vermeiden. Denn die Diskrepanz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis war zu groß geworden.
Da galt noch der offizielle Wechselkurs von 2,15 Bolívar fuerte pro US-Dollar – obgleich auf dem Schwarzmarkt schon das Dreifache bezahlt wurde. Findige Venezolaner konnten also ein sattes Geschäft machen, wenn sie mit schwarz getauschten Bolívars Mitbringsel wie Parfüm einkauften – ein Phänomen der Überbewertung der nationalen Währung, die in Venezuela latent weiter an Wert verliert.
Erst 2008 hatte die Regierung in Caracas das Jahr mit einer Währungsreform begrüßt und den Bolívar fuerte, den starken Bolívar, eingeführt – wobei schlicht drei Nullen vom alten Bolívar gestrichen wurden. Nun musste Präsident Hugo Chávez erneut eingreifen. Denn aus dem starken Bolívar ist längst schon wieder ein schwacher geworden, der kontinuierlich an Wert verliert, obwohl er sich in erster Linie am alles andere als starken US-Dollar orientiert.
4,30 statt 2,15 Bolívar müssen Venezuelas Importeure nun auf den Tisch legen, wenn sie Autos und Elektronikprodukte einführen wollen. Bei lebenswichtigen Produkten wie Lebensmitteln und Medikamenten gilt hingegen ein anderer Kurs. "Nur" 2,60 Bolívar müssen dann pro US-Dollar aufgewendet werden.
Und die Zweiteilung des Währungssystems bei den Importen macht aus Sicht der Regierung durchaus Sinn. In den vergangenen beiden Jahren stiegen die Preise für Lebensmittel im Lande überproportional, so die Sozialwissenschaftlerin Yolanda DElia; den Berechnungen zufolge allein 2008 um bis zu 45 Prozent. "Die Folge war, dass die Armen überproportional stark unter der Inflation litten", so die Wissenschaftlerin, die mehrere Studien über die Sozialprogramme der Regierung verfasst hat. Das will die Regierung in Caracas nun durch das duale Wechselkurssystem korrigieren.
Am Grundproblem der hohen Inflation, die bereits 2009 bei 25,1 Prozent lag, wird die Maßnahme wahrscheinlich wenig ändern. Zwar hofft man bei der Zentralbank in Caracas auf eine Inflationsquote von 20 bis 22 Prozent in 2010. Aber normalerweise zieht die Inflation nach einer Abwertung noch weiter an. Das ist zumindest die Prognose aus dem Chávez-kritischen Unternehmerlager.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!