Inflation in Russland: Moskaus Petrodollars
Jeder zweite Russe kann sich keinen Kühlschrank mehr leisten. Denn das teure Öl bringt zwar Geld in die Staatskasse, treibt aber auch die Preise hoch.
MOSKAU taz Seit Beginn 2008 erreicht die Inflation in Russland 7,7 Prozent. Die Lebensmittelpreise, die auch in Russland Gradmesser und Preistreiber sind, stiegen im selben Zeitraum um fast 10 Prozent. 54 Prozent der Bevölkerung halten die Teuerungsrate für das dringlichste Problem des Landes.
Russlands Verbraucher trifft der Preisanstieg härter als Konsumenten in anderen Ländern. Gibt der Verbraucher in entwickelten Industriestaaten zwischen 10 und 20 Prozent des Einkommens für Lebensmittel aus, bringt ein Russe im Durchschnitt 40 Prozent dafür auf. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung kann sich trotz deutlich gestiegener Löhne Konsumgüter wie Kühlschränke nicht mehr leisten. Kremlchef Dmitri Medwedjew erklärte die Eindämmung der Inflation auf 10,5 Prozent zur Schlüsselaufgabe der Regierung 2008. Experten des IWF und der Weltbank in Russland sind jedoch skeptisch. Sie gehen weiterhin von mindestens 14 Prozent aus und warnen vor einer Inflationsspirale nach lateinamerikanischem Muster. Insgesamt kletterte die Inflation seit 2000 auf mehr als 120 Prozent. Im letzten Herbst fror der Kreml zunächst einige Preise für Grundnahrungsmittel ein und erhöhte Exportzölle für Weizen und Korn. Ohne Erfolg.
Der frühere Finanzminister und heutige Vizepremier Alexei Kudrin meint sogar, Moskau bräuchte noch mindestens 20 Jahre Erfahrung bei der Inflationsbekämpfung. Denn nicht zuletzt hängen die Schwierigkeiten mit der exzessiven Monopolbildung auf den russischen Warenmärkten zusammen, die Preise und Tarife auch für rohstoffabhängige Dienstleitungen erheblich verteuern. Im Fadenkreuz der Kritik steht überdies die ineffektive Politik der Zentralbank, die an einem starken Rubel festhält. Sie will jetzt den starren Wechselkurs vorsichtig liberalisieren und mit zinspolitischen Maßnahmen der Inflation gegensteuern. Bislang liegt aber noch kein umfassendes Programm vor. Wichtiger Grund für die inflationäre Entwicklung zudem: Im ersten Quartal 2008 wuchsen die Staatsausgaben auf 45 Prozent. Mit Wahlgeschenken sicherte der Kreml den Status quo.
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