Indizierungsantrag gegen Kinderbuch: Religionskritik verbieten
Ein Buch, in dem Judentum, Christentum und Islam karikiert werden, möchte das Familienministerium gern verbieten. Eine gute Idee, finden Religionsgemeinschaften und viele Pädagogen.
Der Alibri Verlag, der sich diese Woche öffentlich dagegen wehrte, dass das Familienministerium eines seiner Kinderbücher indizieren will, wird von mehreren Seiten kritisiert. Nicht nur die Religionsgemeinschaften, auch Pädagogen sind der Ansicht, eine Überprüfung des religionskritischen Buches sei notwendig.
In dem Bilderbuch geht es um ein Ferkel, das einen Bischof, einen Rabbi und einen Imam nach Gott fragt. Alle drei sind karikiert dargestellt und sprechen ausschließlich von ängstigenden Aspekten ihrer Religion. Der Rabbi vom strafenden Gott und der Sintflut, der Bischof vom Opfertod Jesu und der Imam von den Höllenstrafen für Ungläubige. Die drei Gottesmänner geraten darüber in ein Handgemenge. Das Ferkel zieht den Schluss: "Wer Gott nicht kennt, der braucht ihn nicht."
Das Familienministerium hat die Indizierung des Buchs beantragt, weil es die drei Weltreligionen lächerlich mache und damit Feindseligkeit gegenüber religiösen Gruppen schüre. Insbesondere die negative Darstellung des Rabbis stieß beim Familienministerium auf Missfallen. Die Ministerialen hegen deswegen einen Antisemitismusverdacht. Verlag und Autor fühlen sich missverstanden und sehen einen "Anschlag auf die Meinungsfreiheit". Das Buch sei klar satirisch gemeint.
Doch nicht nur religiöse Fachleute finden das Buch problematisch. Isabel Enzenbach vom Zentrum für Antisemitismusforschung erklärt: "Der Rabbi, der in einem Kampf versucht, die anderen Religionsvertreter mundtot zu machen, entspricht dem Klischee des rachsüchtigen Juden. Auch Religionskritik sollte ohne antisemitische Stereotype auskommen." Den Antrag hält sie deshalb für gerechtfertigt. Der Zentralrat der Juden hält das Buch nicht für antisemitisch, weil es "gleichermaßen alle drei großen monotheistischen Religionen" verleumde. "Das Perfide und Gefährliche dabei ist, dass es sich mit einer grafisch sehr attraktiven Aufmachung an junge Kinder wendet, die solch einer Antireligionshetze hilflos ausgesetzt sind. Auf jeden Fall ist das Buch gefährlich und gehört daher indiziert", sagt Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats. Anders sieht es Walther Rothschild, Landesrabbiner von Schleswig-Holstein: "Ich glaube nicht an Indizierung. Man kann heute ohnehin alles im Internet downloaden." Er würde lieber Bibliothekare, Lehrer und Eltern vor dem Werk warnen: "Es ist einfach ein Hassbuch. Was sollen Kinder Positives daraus lernen?"
Christliche Kirchen und der Zentralrat der Muslime sind für die Indizierung. Die Kuturbeauftragte der Evangelischen Kirche spricht von "Stürmer"-ähnlichen Karikaturen. Aus dem katholischen Bistum Rottenburg-Stuttgart war bereits im Dezember Strafanzeige gestellt worden.
Auch Pädagogen sehen das Werk kritisch: Pädagogikprofessor Micha Brumlik von der Uni Frankfurt warnt, es transportiere Falschinformationen über das Judentum, wenn es etwa behaupte, Nichtjuden dürften eine Synagoge nicht betreten. "Der Antrag hat eine Berechtigung", so Brumlik. Michael Bergner, Kinderbuchexperte der Uni Potsdam, der das Unterrichtsfach Lebensgestaltung-Ethik-Religion in Brandenburg koordiniert, meint ebenfalls: "Das Buch sollte nicht weiter vertrieben werden."
Vorsichtiger ist der Leiter des Instituts für Jugendbuchforschung an der Frankfurter Uni, Hans Heino-Ewers: "So eine Verspottung der Religionen muss eine liberale Gesellschaft akzeptieren. Es ist eine dümmliche Religionskritik, aber wenn wir Dummheit bestrafen wollten, säße die halbe Republik im Knast." Die Darstellung des Rabbis hält Ewers zwar für eine "historische Geschmacklosigkeit sondergleichen", weil sie ihn "dämonisiere". Doch der Antrag des Familienministeriums gehe weit über den Antisemitismusvorwurf hinaus: "Das Ministerium meint, dass man Religionen nicht lächerlich machen darf. Das ist ein Einbruch, eine Unterminierung liberalen Denkens." Über den Indizierungsantrag wird am 6. März entschieden.
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