Indischer Konzern schluckt europäischen Stahlriesen Arcelor : Wir Globalisierungsverlierer
Verkehrte Welt: Ein indisches Unternehmen schluckt den Stahlriesen Arcelor im Herzen Europas. Die Dritte Welt übernimmt die Erste Welt statt umgekehrt – wie wir es doch immer für irgendwie naturgegeben hielten. Doch naturgegeben und statisch ist im Zeitalter der Globalisierung gar nichts. Hat nicht vor zwei Jahren ein chinesisches Unternehmen namens Lenovo mal eben die gesamte PC-Sparte des US-Giganten IBM aufgekauft? Und erst vor ein paar Monaten ein indischer No Name den Bieterwettkampf um den deutschen Generikahersteller Betapharm gewonnen?
Ein anderes Beispiel ist der Elektronikkonzern BenQ aus Taiwan. Lange hat er bescheiden das getan, was man von einer asiatischen Klitsche erwartet: als verlängerte Werkbank im Auftrag westlicher Konzerne billig Geräte herstellen. Vor einem Jahr aber drehte BenQ den Spieß um und übernahm seinerseits das Handygeschäft von Siemens.
In Hinblick auf die unsägliche Standortdebatte kann man diese Entwicklung nur begrüßen. Das Gejammer der hiesigen Unternehmen, die den eigenen Standort stets nur als überteuert und unattraktiv verdammen, ist damit wenigstens ein Stück weit ad absurdum geführt. Doch die Umkehr der Investitionsströme ändert nichts an den grundsätzlichen Problemen der Globalisierung: In den ehemaligen Siemens-Handywerken stehen die Gewerkschaften schon wieder unter Druck: Schon wieder steht die Drohung im Raum, die Produktion ins Ausland zu verlagern.
Die entscheidende Frage ist also nicht, ob der Norden im Süden investiert oder umgekehrt. Anlass zur Sorge ist vielmehr, dass Übernahmen immer häufiger nur zum Stellenabbau oder zum Ausspielen eines Standorts gegen den anderen benutzt werden.
Der Fehler liegt offenbar irgendwo im System. Es wird Zeit, dass sich die betroffenen Staaten einmal über ein paar regulatorische Fragen unterhielten: über soziale Mindeststandards etwa, Arbeitsplatzgarantien und Beschränkungen, das Kapital von übernommenen Firmen abzuziehen.
NICOLA LIEBERT