: In der Bremer Tundra
■ Jahrzehntelang hat Eva Schumacher erfolgreich als Geschäftsfrau und EU-Beraterin im Ausland gearbeitet. Jetzt will sie wieder in Bremen leben – und findet keinen Job
„Jeden Standort in der Tundra kann ich Ihnen verkaufen“, sagt Eva Schumacher selbstbewusst. Nur sich selbst kriegt sie nicht los. Seit die 44-jährige Volkswirtin vor elf Monaten nach Deutschland zurückgekommen ist, hat sie 500 Bewerbungen geschrieben. Arbeitsmarkttechnisch ist sie am Ende. Mit den Nerven noch nicht. Aber langsam stauen sich die Aggressionen – was die zurückhaltende Bremerin so allerdings niemals sagen würde. Dennoch ist es wahr. Denn tatsächlich hat Eva Schumacher in den letzten Jahrzehnten nichts anderes gemacht, als – bildlich gesprochen – die Tundra verkauft. Zuletzt war sie in Polen. Wirtschaftsbeziehungen mit europäischen Firmen anbahnen. Investoren locken. Mit Erfolg sogar. Bis das Gefühl kam, mit dieser Art von Leben – „ständig in einem anderen Ausland, ständig gefragt: Warum bist du hier?“ – abschließen zu wollen. Zurück nach Bremen gehen zu wollen, wohin sie jahrelang nur zum Urlaub gefahren war. Jetzt zehrt Bremen an ihr.
Über zehn Jahre war Eva Schumacher in Polen. „Das Land fit machen für die EU“, sagt sie salopp. „Als ich das erste Mal nachts in Warschau ankam, war da alles dunkel“, erinnert sie sich. Heute gleißt die Stadt im Dunkel wie andere Metropolen auch. Die EU-Beraterin Schumacher hat im ehemals sozialistischen Land Wirtschaftsförderungsstrukturen für public-private-partnerships aufgebaut: Kanäle gebuddelt, durch die europäische Fördermittel fließen sollen. Schleusen installiert, die Zufluss und Abfluss regulieren könnten. Für Ansiedlungen und Investitionen vor allem deutscher Firmen geworben – und viele überzeugt. Umso bitterer, dass dem nun in Deutschland nichts folgen soll. Ausgerechnet in der Heimat.
„Das Gefühl, nach Deutschland zu gehören, war mir immer wichtig“, sagt Eva Schumacher. Bevor sie nach Polen ging, hatte sie in Mexiko gearbeitet – in halbstaatlichem Auftrag, gefördert durch die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit. Auch in der Ukraine war sie in offizieller Mission. Eva Schumacher spricht Spanisch, Polnisch, Englisch natürlich, Deutsch und Französisch. An arabisch übt sie noch – die Frau, die ihren Vornamen Eva weich ausspricht, wie man das in Mexiko oder Polen tut. „Das ist ja das Gute an meinem Namen“, flachst die Cosmopolitin. „Es gibt ihn überall.“ Ihre Tochter allerdings hat sie Dietlinde genannt. Eine Tochter, Teenager mittlerweile, die gerne wieder mit der Mutter im Ausland leben würde. Nach Monaten der Suche und des Frusts erwägt auch Eva Schumacher diesen Weg. Er stünde offen. Und er wird täglich attraktiver. Denn seit Eva Schumacher wieder in Bremen lebt, muss sie ständig erklären, warum sie hierher zurückgekommen ist. Obwohl sie doch ausgerechnet solchen Fragen nach der Berechtigung ihres Daseins entgehen wollte.
Auch andere Fragen stellen sich ihr in Deutschland, welche, die sie im Ausland nie hörte. „Ja, ich bin wohl in einer Männerdomäne erfolgreich gewesen“, sagt Eva Schumacher nachdenklich. Ihre Auftraggeber waren Banken, staatliche und halbstaatliche Organisationen, für die sie enorme Summen verwaltete – oder ausgab, je nachdem. Aber im Ausland habe ihr Geschlecht nichts bedeutet. Weder in Mexiko noch in Polen. Überall war sie schließlich als Mittlerin für Investoren unterwegs – harte europäische Währungen und ihr deutsches Image im Rücken. Jetzt, wo sie eine Anstellung sucht, die sie nicht mehr rund um die Uhr beanspruchen soll, ist das anders. Ihr Alter spricht gegen sie. Und ihre Qualifikationen. Das hat sie deutlich verstanden.
„Arbeitgeber glauben mir nicht, dass ich weniger will als ich hatte – wenn ich dafür hier leben könnte.“ Viele Deutsche, so glaubt Eva Schumacher heute, könnten das Gefühl gar nicht verstehen, wie es ist, wirklich nach Hause kommen zu wollen – und dafür auch Einbußen in Kauf zu nehmen. In puncto Finanzen und in puncto Herausforderungen. Aber sie würde darin auch Vorteile sehen. „Denn das im Ausland waren doch nicht 50 Stunden Arbeit. Das waren sieben mal 24 Stunden“, sagt sie. „Rund um die Uhr.“ Schon beim Aufstehen war alles anders als in Deutschland, „wo die Leute so satt sind“. Nicht alle allerdings.
Dafür hat Eva Schumacher in den vergangenen elf Monaten den Blick geschärft, der vom deutschen Satellitenfernsehen im Ausland doch sehr bunt gefärbt worden war. Dass in Wirklichkeit noch vieles ausgesprochen schwarz-weiß abläuft, ist ihr ins Auge gesprungen, als der Kanzler seine Drückeberger-Kampagne gestartet hat. Vielleicht sollte er mal ihre Post anschauen. Sie ist dann aber womöglich nicht mehr hier. Ihre Möbel sind noch auf Lager. Die ließen sich schnell wieder ins Ausland verschiffen. ede
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