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■ In Würgassen beginnt der AtomausstiegTrau keinem über zwanzig!

Der größte deutsche Atomstromproduzent hat kapituliert. Nicht vor den sicherheitstechnischen Mängeln seines maroden Altmeilers in Würgassen, sondern vor den ökonomischen und genehmigungsrechtlichen Unwägbarkeiten, die eine Totaloperation am Reaktorkern mit sich gebracht hätte. Daß weder die Landesregierung in Düsseldorf noch Preussen Elektra laut hinausposaunen, daß das Ende des Würgassen-Meilers beschlossene Sache ist, darf getrost unter der Rubrik Wahl- und Entschädigungstaktik abgehakt werden. Die Phantasie der Atomkraftgegner hat nicht ausgereicht, sich vorzustellen, wie der seit zwanzig Jahren verbissen geforderte Atomausstieg sich in der Realität vollziehen könnte. Nun hat er begonnen, und niemand scheint es zu bemerken. Würgassen ist nur der Anfang, Obrigheim und andere werden folgen. Preussen Elektra wird auch in der allerletzten Abschiedserklärung versichern, der Betrieb des AKWs sei bis zum letzten Betriebstag sicher und verantwortbar gewesen. Wer sich darüber ärgern mag, soll es tun.

Wichtiger ist etwas anderes. Bisher war alles stillschweigend davon ausgegangen, die in Deutschland mit einer unbefristeten Betriebsgenehmigung ausgestatteten Atomkraftwerke würden regulär erst ausgeknipst, wenn ihre Sicherheit nach den gerade herrschenden Regularien nicht mehr gewährleistet sein würde. Die Natur straft diese Vorstellung Lügen. Daß die Werkstoffe sich in Atomkraftwerken nicht anders verhalten als anderswo, hätten die Betreiber vorher wissen können. Nun bleuen es ihnen ihre Maschinen mit dem Holzhammer ein: Alle paar Wochen ein neuer Fall von Altersschwäche – und zwar nicht nach vierzig oder gar sechzig Betriebsjahren, wie es beispielsweise die Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke gerne hätte, sondern nach gut zwanzig Jahren. Das Phänomen ist international. Weltweit wachsen die Risse, seit die erste Reaktorgeneration in die Jahre kommt. Das hat Konsequenzen: Wie jetzt in Würgassen werden nicht die Sicherheitstechniker über die Stillegung von Atomkraftwerken entscheiden, sondern die Betriebswirte. Vorausgesetzt, die Politik läßt sich diese Strategie des ökonomisch kontrollierten Sicherheitsrisikos bieten.

„Trau keinem über zwanzig!“ Der modifizierte Sponti-Spruch könnte auf dem Feld der Atomkraftwerke unversehens zu neuen Ehren kommen. Eine Perspektive, die Gerhard Schröder interessieren muß. Der verhandelt mit den Stromkonzernen seit Jahren verbissen um die „Restlaufzeiten“ der Altmeiler. Von dreißig Jahren ist die Rede oder vierzig. Als Kompromiß. In Würgassen ist nach 23 Jahren Schluß, weil sich die Maschine nicht mehr rechnet. Ein schöner Erfolg für den Verhandlungsführer der SPD. Gerd Rosenkranz

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