WAS MACHT EIGENTLICH ... … das Berliner Bier? : In Strömen fließen
Na endlich. Man kann es ja nicht mehr hören. Dieses ständige Genöle, die Hitze schmelze einem die Birne wachsweich. Das latente Jammern über fehlende Ventilatoren, weiße Schwitzränder in T-Shirts, über klamme Händedrucke und riechende Mitmenschen. Kurz: die selbstsuggestive Kollektivklage, bei dem Wetter könne ja keiner ordentlich arbeiten. Wenigstens eine Berufsgruppe bleibt nüchtern zackig: die Berliner Bierbrauer.
Trotz Fußball-WM, trotz Rekordhitze, trotz dürstender Massen, die Zapfhahnbeschicker meldeten gestern unverdrossen: „voll lieferfähig“. Mit einer klitzekleinen Ausnahme. Ein Bier, eine Besonderheit unter den Bieren, hat es schwer. „Bei Randsorten wie der Berliner Weißen kann es schon mal zu Engpässen kommen“, sagt eine Sprecherin der Schultheiß- und Kindl-Brauereien. Auch wenn sich jeder von der Arbeitseinstellung der Brauer ein gutes Literchen abzapfen könnte, die Wortwahl verblüfft.
Was, bitte schön, ist eine „Randsorte“? Und wie fühlt sich die Berliner Weiße, ein Mix aus einem spritzigen, obergärigen Bier und Waldmeister- oder Himbeersirup, wenn sie so abgestempelt wird? Sie gerät ins Schäumen – und denkt an ihre goldene Vergangenheit. Im 19. Jahrhundert war die „Randsorte“ aus der Mitte der Gesellschaft nämlich nicht wegzudenken. Die Wirte füllten sie aus großen Tonflaschen ins Glas, dazu reichten sie einen klaren Schnaps. Aber so ist der Lauf der Dinge: vom Tonkrug zur Normflasche, vom Schnaps zum Zuckersirup, vom Liebling aller zur Randsorte – darauf eine Berliner Weiße! US FOTO: ARCHIV