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In St. Pauli aufgebaut

■ Werder kommt mit Oberwasser aus Hamburg zurück / „Hätte 7:0 werden können“

Daß Werders Mittelfeld-Talent Christian Brand am Sonnabend nach dem Spiel eine Selters-Kiste zum Mannschaftsbus schleppen mußte, hat bei den Bremern nichts zu sagen. Es setzte einfach nur das fort, was die Werderaner zuvor 90 Minuten lang geboten hatten: Jeder packt mit an. Selbst Nationalspielern wie Marco Bode oder Dieter Eilts werden da keine Extrawürste gebraten.

In Geberlaune war man dennoch. „Das Ergebnis ist schmeichelhaft für St. Pauli“, posaunte Keeper Oliver Reck, der an dem sonnigen Nachmittag reichlich Gelegenheit gehabt hatte, seinen Teint auch während der Bundesligapartie zu pflegen, „wir hätten eigentlich mit 7:0 gewinnen müssen.“ Und wenn man sich die Namen der Spieler ansehe, legte der Torwart nach, „müßten wir in der nächsten Saison in einem europäischen Wettbewerb spielen“. Etwas dezenter bilanzierte Vize-Präsident Klaus-Dieter Fischer: „St. Pauli war ein idealer Aufbau-Gegner für uns.“

In der Tat hatten die Hamburger den Bremern kaum etwas entgegenzusetzen: Ohne sechs verletzte oder gesperrte Stammspieler war für die Mannschaft von Trainer Uli Maslo nichts zu holen. „Es war ein bitterer Tag für uns“, sinnierte der 58jährige Übungsleiter, dem sonst wenig die Stimmung verhageln kann. Vor allem einer war für Maslos Trübsinn verantwortlich: Andreas Herzog.

In der 26. Minute schlenderte der Heimkehrer mutterseelenallein durchs Mittelfeld, wurde bis zur Strafraumgrenze anscheinend von keinem St.-Pauli-Spieler richtig wahr- und mit Sicherheit nicht für vollgenommen und schoß den Ball einfach ins Netz des Gegners. Mitspieler hatten keine freigestanden. „Bis auf die letzte Saison bei Bayern München habe ich beim Fußball immer soviel Selbstvertrauen gehabt, auch mal draufzuhalten“, gab der österreichische Nationalspieler zum besten.

Er hatte auch allen Grund: Fast 20 000 Zuschauer am Millerntor staunten nicht schlecht, wie der „Alpenexpress“ nach seinem Führungstor richtig an Fahrt gewann. Sowohl bei Bodes herrlichem 2:0 als auch zu Bruno Labbadias Kopfball hatte „Anderl“ die Vorlage gegeben. Der Auswärtssieg der laufenden Saison war zu einem großen Teil sein Verdienst.

Das war auch Werder-Trainer Hans-Jürgen Dörner nicht entgangen, der trotz des zweiten dreifachen Punktgewinns in Folge pflichtgemäß auf die Euphoriebremse trat: „Der Sieg gegen St. Pauli gewinnt erst an Gewicht, wenn wir im nächsten Spiel gegen Bochum einen weiteren Erfolg hinterherschieben.“ Sollten einzelne Spieler nicht abheben, dürfte das nicht unmöglich sein. Nur gemeinsam ist man schließlich stark.

Christian Schiweck

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