In Somalia kommt nur die Hälfte an: Hilfe für Hungernde abgezweigt
In Somalia regiert ein mächtiges Kartell, das Nahrungsmittel verschiebt. Die Hälfte dessen, was dort verteilt wird, geht verloren. Hauptschuld trage das Welternährungsprogramm.
In Afgoye am Stadtrand von Mogadischu leben diejenigen, die die anhaltenden Kämpfe in Somalias Hauptstadt nicht mehr aushalten. Erst am Mittwoch wurden bei Schusswechseln zwischen der islamistischen Shabaab und Truppen der machtlosen Übergangsregierung mindestens 17 Menschen getötet. Mehr als 350.000 Vertriebene schlafen in Afgoye unter Plastikfolien oder freiem Himmel. Zu essen haben sie - wie mehr als zwei Millionen andere intern vertriebene Somalis - nur das, was das UN-Welternährungsprogramm (WFP) verteilt.
Doch nur die Hälfte der Nahrungsmittelhilfe kommt bei den Bedürftigen an: zu diesem katastrophalen Ergebnis kommt ein interner Bericht der UN, der am Dienstag dem Sicherheitsrat vorgelegt werden soll. Laut dem Bericht zweigen lokale Partnerorganisationen und somalische WFP-Angestellte 30 Prozent der Hilfe ab, um sie auf Märkten oder an Rebellen zu verkaufen. Zehn Prozent stehlen vom WFP beauftragte Subunternehmer, gut weitere zehn Prozent bewaffnete Gruppen, die das jeweilige Gebiet kontrollieren.
"Eine Handvoll somalischer Subunternehmer hat ein mächtiges Kartell gegründet", schreiben die Autoren, welche die UN wegen Todesdrohungen von Nairobi nach New York ausfliegen musste. "Einige der Unternehmer leiten ihre Gewinne oder die Nahrungsmittel an bewaffnete Oppositionsgruppen weiter." Für die Entstehung des Kartells macht der Bericht das WFP verantwortlich, das dieses durch die Vergabe der meisten Aufträge an nur drei Unternehmer selbst geschaffen habe.
Es geht um Millionensummen: 2009 hat das WFP Hilfsgüter für mehr als 350 Millionen Euro nach Somalia geliefert. Als erstmals Berichte aufkamen, denen zufolge Säcke mit WFP-Hilfsgütern auf Märkten verkauft wurden, gab einer der Hauptverantwortlichen für die Verteilung der WFP-Hilfe in Somalia die Verluste gegenüber der taz offen zu. "Das sind vielleicht 10 Prozent", erklärte der Däne Ulrik Pedersen, zuständig für die Versorgung von 1,3 Millionen Somalis, im Juli 2009. "Und die Verkäufe haben meist zur Folge, dass das Preisniveau sinkt, so haben wenigstens alle etwas davon."
"Ein bisschen Schwund" lasse sich auch mit strikten Kontrollen nicht vermeiden. Allerdings wolle man verhindern, dass Hilfsgüter als Machtmittel im Krieg missbraucht werden, so Pedersen: Nahrung würden deshalb vor allem an Frauen verteilt, die für ihre Familie sorgen wollten. Doch offenbar reicht das nicht.
Dem Bericht zufolge soll einer der Unternehmer die Entführung seiner Lkws vorgetäuscht haben, um Hilfsgüter zu verkaufen. Ein anderer Subunternehmer gibt zu, dass er Teile der Lieferungen den Islamisten geben muss: "Manchmal sind wir dazu gezwungen, mit Unterstützung hat das nichts zu tun", so Abdulkadir Adani. Der Bericht zeigt nicht zuletzt, wie schwer Hilfe in einem Land ist, das seit 19 Jahren ohne Regierung ist. WFP-Chefin Josette Sheeran kündigte am Donnerstag an, drei Subunternehmern zu kündigen, die in Waffengeschäfte verwickelt sein sollen.
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