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■ In Sarajevo bahnt sich eine Katastrophe anSicherer Hafen ohne Wasser!

Seit der Vance-Owen-Plan für Bosnien-Herzegowina von seinen Verfassern selbst beerdigt wurde, scheint die Dreivölkerrepublik ihrem Schicksal überlassen. Die Debatte über eine militärische Intervention auf dem Balkan ist längst verstummt, weil offensichtlich ist, daß die vielbeschworene internationale Gemeinschaft nicht willens ist, international gemeinsam zu handeln, um ihr tödlich bedrohtes Mitglied zu retten. Die Öffentlichkeit ist des Krieges müde. Bosnien-Herzegowina verschwindet nicht nur von der Landkarte, sondern auch aus den Schlagzeilen. Und dies zu einem Zeitpunkt, da die Lage dramatischer denn je ist.

Extreme Nahrungsmittelknappheit herrschte in dem seit 15 Monaten belagerten Sarajevo schon öfter. Aber seit Samstag gibt es nun in der Altstadt auch kein Wasser mehr. Wegen Treibstoffmangel fielen die letzten Pumpen aus. Schon werden erste Fälle von Typhus und Cholera gemeldet. Wie ein Damoklesschwert hängt die Gefahr von Epidemien, die schon bald bei weitem mehr Tote fordern könnten als der tägliche Beschuß mit Granaten über den 350.000 Eingeschlossenen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt in einem dramatischen Appell vor einer Katastrophe, „wie sie Europa und die ganze Welt seit den dunkelsten Tagen des Zweiten Weltkriegs nicht mehr erlebt hat“, und der Sprecher des UNO- Hochkommissariats für Flüchtlinge stellt fest: „Zivilisierte Wesen sehen sich auf den wilden Urzustand zurückgeworfen.“

In den nächsten Tagen schon dürfte das Leben vieler Einwohner Sarajevos von 75 Tonnen Diesel abhängen, die auf dem Flughafen der Stadt gelagert sind, deren Transport zu den Eingeschlossenen aber die Serben verhindern. Unter den Augen der Weltöffentlichkeit wird eine ganze Stadt ausgehungert, eine Stadt, die die Vereinten Nationen zur Schutzzone, zum „sicheren Hafen“ proklamiert haben. Und was macht die UNO? Ihr Sonderbeauftragter für Bosnien- Herzegowina, Thorvald Stoltenberg, bringt die Unverfrorenheit auf, die legitime Regierung der Republik aufzufordern, der militärischen Erpressung der Serben und Kroaten Folge zu leisten und die Dreiteilung der Republik nach ethnischen Kriterien anzuerkennen – andernfalls gefährde sie das Mandat der Vereinten Nationen in Bosnien-Herzegowina. So bewegt er sich ganz auf der Linie seines Kompagnons Lord Owen, Unterhändler der EG, der schon vor Wochen entdeckt hat, daß der eigentliche Kriegstreiber nun im Präsidentenpalast von Sarajevo sitzt. Der politischen Kapitulation vor dem militärischen Aggressor ist eine Uminterpretation der Ereignisse gefolgt, die zuweilen an Orwells Neuspeech erinnert. Der Angegriffene wurde zum Aggressor. Wann wird die Erpressung zur friedensstiftenden Maßnahme? Thomas Schmid

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