In Obhut genommen: „Systematisch entfremdet“
Ein pensioniertes Lehrer-Ehepaar protestiert am Montag schon zum vierten Mal dagegen, dass das Jugendamt ihren Enkel seinen Eltern entzieht.
taz: Frau Orlowski, Herr Orlowski, warum demonstrieren Sie vorm Jugendamt?
Sabine und Rüdiger Orlowski: Unser Enkel Christian befindet sich auf Anweisung des Jugendamtes Bremen in einer Pflegefamilie, wir wissen nicht bei wem, wo, noch, wie es ihm geht. Er wird seinem Vater systematisch entfremdet. Über die Öffentlichkeit erhoffen wir, endlich ein Umdenken bei der Behörde in Gang zu bringen.
Das ist Ihre vierte Demo in der Sache – warum aber fehlt Ihr Sohn, der Kindsvater?
Er wird diesmal dabei sein. Unsere Erfahrung war: Das Bremer Jugendamt legt Engagement als mangelnde Kooperationsbereitschaft aus. Ab sofort hat Florian von seinem Anwalt aber grünes Licht und darf mitgehen.
Einem Gutachten über Ihre und seine Erziehungsfähigkeit verweigern Sie sich aber…?
Dazu ist wichtig zu wissen, dass Christian nicht etwa wegen Kindeswohlgefährdung aus seinem Zuhause geholt wurde…
…sondern?
Nach Paragraf 1632 BGB…
54 und 66, sind beide Lehrer im Ruhestand. Er hat Mathematik, Deutsch, Geschichte und Sport in der Sekundarstufe eins, sie Chemie, Mathematik und Biologie in derselben Altersgruppe unterrichtet. Sie demonstrieren seit 23. Februar mindestens einmal wöchentlich für die Herausgabe ihres Enkels an den leiblichen Vater, ihren Sohn Florian, Ihre Demo beginnt am Montag 15 Uhr vorm Amt für Soziale Dienste, Rembertiring.
…also Herausgabe, weil er den Eltern vorenthalten wurde…?
Unser Sohn Florian war zu diesem Zeitpunkt nur leiblicher Vater und hatte das Sorgerecht noch nicht. Trotzdem hat Christian fast acht Wochen zusammen mit seinem Papa, unserem Sohn Florian, in unserem Haus gelebt. Nicht ein einziges Mal kam jemand vom Jugendamt vorbei, um sich die Lebensumwelt und die Interaktion von Vater und Kind anzusehen. Als sie das Kind hier wegholten, haben die Damen des Jugendamtes ihn sogar für seine liebevolle und kompetente Versorgung und Betreuung vor Zeugen ausdrücklich gelobt. Und jetzt ein psychologisches Gutachten? Wir Großeltern haben zusammen über 70 Jahre im Schuldienst gearbeitet. Tausende von Schülern sind in den letzten Jahren durch unseren Unterricht geprägt worden. Da dürfte das Gutachten etwas zu spät kommen.
Und die politsche Ebene?
Was hier passiert, ist familienzerstörend und existenzvernichtend. Jedes Recht muss mühsam vor Gericht eingeklagt werden, Christian und sein Vater haben sich dadurch seit fünf Monaten nicht gesehen: Erst trennt man die beiden, dann ermöglicht man keinen Umgang, entfremdet Vater und Kind – und sagt dann vor Gericht, der Vater sei ein Fremder für seine Sohn!
Mit Anja Stahmann lässt sich aber normalerweise reden?
In unserem Fall leider nicht! Wir haben sie schon im letzten Jahr angeschrieben – keine Reaktion! Vorletzte Woche haben wir sie in ihrem Büro aufsuchen wollen. Leider konnten wir nur mir einer Referentin sprechen, die sich zwar viel Zeit genommen hat, uns aber auch nicht signalisierte, dass Christian geholfen würde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Überraschende Wende in Syrien
Stunde null in Aleppo
Liberale in der „D-Day“-Krise
Marco Buschmann folgt Djir-Sarai als FDP-Generalsekretär
Trumps Wiederwahl
1933 lässt grüßen