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In Niedersachsen werden so viele Tiere gehalten, dass es zu viel Ausscheidungen für zu wenig Felder gibt. Wohin also mit dem Mist?Das Land mit dem Gülleüberschuss

Fremd und befremdlich

Katrin Seddig

Die Knospen öffnen sich, die Vögelein singen, die Natur erwacht, und auf den Feldern wird wieder Gülle ausgebracht. Gülle ist im Grunde gar nicht so übel, auch wenn sie so riecht, sie ist ein natürliches Produkt und enthält das, was Pflanzen zum Wachsen benötigen: Stickstoff, Phosphor, Kalium und ein bisschen Magnesium.

Wenn der Bauer keine Gülle auf sein Feld kippt, braucht er chemischen Dünger und chemischer Dünger ist gar nicht natürlich, auch wenn er dafür nicht so stinkt. Gülle fällt natürlich an, und deshalb ist es gut, wenn sie direkt wieder verwendet wird. Wenn jeder Bauer, wie im Bilderbuch, ein paar Kühe hätte, deren Gülle er auf sein eigenes Feld ausbringen würde, wäre das auch eine runde Sache. Aber so ausgeglichen ist das Verhältnis nicht und solche Bilderbuchbauern gibt es auch nicht mehr.

Dafür es gibt Schweinemastanlagen. Und es gibt eine Güllebörse, wo die Gülle vom einen zum anderen vertickt wird. Die Tierhalter können ihre Gülle da gegen Entgelt loswerden. Das Loswerden von Dünger kostet also, obwohl man meinen könnte, dass der Düngerlieferant sich das bezahlten lassen könnte. Aber so läuft das nicht. Der Bauer zahlt wenig oder gar nichts für das Ausbringen auf seinem Land oder lässt sich das sogar noch bezahlen.

Das liegt daran, dass viel Gülle für zu wenig Ackerland da ist. Wird aber zu viel Gülle oder zu einem falschen Zeitpunkt auf die Felder ausgetragen, so kann sie in das Grundwasser einsickern und in Gewässer gelangen, in denen dann die Algen wachsen und die Fische sterben. So was passiert auch, es passiert andauernd und überall, man kann es im Sommer immer wieder in den regionalen Zeitungen lesen.

Zusätzlich ist es ein Problem, dass in Gülle natürlich auch Rückstände von Medikamenten enthalten sein können, Antibiotika zum Beispiel, die in der Schweinemast mitunter recht großzügig verwendet werden. In bestimmten Gegenden also, so in Niedersachsen, werden so viele Tiere gehalten und entsprechend so viel Gülle „produziert“, dass zu viel Gülle für zu wenig Feld da ist. Der Landwirtschaftsminister von Niedersachsen, Christian Meyer, nennt das einen „Gülle- und Nährstoffüberschuss“, und das hört sich gar nicht so schlecht an, ein „Überschuss“.

Aber tatsächlich ist es ein Missstand, ein Übel, dem gar nicht so leicht beizukommen ist, denn muss die Gülle von den entsprechenden Lohnunternehmern weit gefahren werden, wird sie zu teuer. So verwundert es nicht, dass sich die Niedersachsen jetzt erbost gegen die holländische Gülle wenden, die anscheinend zusätzlich noch ihren Weg auf die niedersächsischen Felder findet. Kippt der Holländer aber seine Gülle auf das niedersächsische Feld, findet die deutsche Gülle keinen Platz mehr.

Deshalb hat das niedersächsische Landwirtschaftsministerium dem jetzt vorerst einen Riegel vorgeschoben, durch einen Erlass. Demnach ist Gülle ein Abfallprodukt, das ein Zertifikat vorweisen muss, wenn es ins deutsche Land einreisen will. Hans Verkerk vom holländischen Branchenverband Cumela meint dazu, dass es solche Abfallpapiere in Holland aber gar nicht gibt, weil die Gülle in Holland auch nicht als Abfall gilt.

Den Niedersachsen ist das nur recht, weil sie schon genug Sorgen mit ihrer eigenen Gülle haben. Die Holländer allerdings zahlen den holländischen Landwirten bis zu fünfzehn Euro für die Abnahme von einem Kubikmeter Schweinegülle, sie wollen ihre Gülle dringend auch in Deutschland loswerden und deshalb wollen sie sich das auch nicht gefallen lassen und haben ihre Regierung zur EU-Kommission nach Brüssel geschickt.

Tja, was soll man dazu sagen? Wie wird die Zukunft aussehen? Ländereien voller überlaufender Güllebecken? Unterirdische Gülleseen? Oder werden die Menschen irgendwann weniger Fleisch essen? Letzteres wohl eher nicht.

Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg mit Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Eine Nacht und alles“ ist bei Rowohlt Berlin erschienen.

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