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In Kiel müssen Volksverhetzer zahlen

■ Schmähbriefe gegen Juden und Ausländer / OLG-Chef kritisiert Mannheimer Urteil

Kiel ist nicht Mannheim, zumindest nicht ganz. Während der Persilschein aus Baden für NPD-Chef Deckert international für Aufsehen sorgt, kommen Rechtsextremisten in der schleswig-holsteinischen Hauptstadt nicht so glimpflich davon. Wegen Volksverhetzung und Beleidigung verurteilte das Kieler Amtsgericht gestern einen 71jährigen Münchner zu einer Geldstrafe von 7200 Mark (180 Tagessätze).

Er hatte 1992 in zwei Briefen an die Vereinszeitschrift eines Kieler Sportclubs mit massiven Hetzparolen gegen Juden und Ausländer gewütet. Die Schmähbriefe hatte der pensionierte Ingenieur als Reaktion auf einen Artikel in der Vereinszeitschrift verfaßt. Der Pressewart des Vereins hatte in einem Text zu einer positiven Einstellung gegenüber Ausländern aufgefordert.

In dem darauf vom Angeklagten formulierten Brief, den der Verein als „Gegengewicht“ verstehen sollte, reihte der 71jährige über mehrere Seiten antisemitische Zitate aneinander. Nachdem der Verein Strafanzeige erstattet hatte, schickte der Angeklagte noch einen weiteren Brief mit Hetzparolen gegen Ausländer hinterher. Zu seiner Verteidigung erklärte er, daß die Briefe nicht zur Veröffentlichung gedacht gewesen seien. Staatsanwalt und Richter sahen hingegen den Tatbestand der „Volksverhetzung“ als erfüllt an.

Das Mannheimer Urteil wurde gestern vom Präsidenten des schleswig-holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig, Dietrich Mett, scharf kritisiert. In einem NDR-Interview sprach Mett von einer „erschreckenden Geisteshaltung“ und forderte eine „handfeste und ganz deutliche Diskussion fachlicher Art mit diesen Kollegen“. Zugleich forderte Mett, das Leugnen des Holocaust als eigenen Straftatbestand im Strafgesetz zu verankern, da die bisherigen Bestimmungen offenbar „nicht ausreichen“. smv/lno

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