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■ In Kambodscha wird gewähltEs geht um Würde und Hoffnung

Angesichts der kambodschanischen Geschichte und im Vergleich zu anderen asiatischen Ländern können die Wahlen als legitim erachtet werden, hat der Chef der UNO-Mission in Kambodscha vor Beginn der Abstimmung gesagt. Zum ersten Mal seit 1951, als das Land noch unter französischer Kolonialherrschaft stand, können die Menschen in diesen Tagen frei zwischen mehreren Parteien wählen. Es ist kein Zufall, daß in der Berichterstattung so gut wie nichts über Programme und politische Inhalte der 20 registrierten Parteien zu finden ist: Freiheit, Demokratie, Frieden und Wohlstand versprechen alle, und keine von ihnen wird ihr Versprechen halten können.

Aber darum geht es nicht. Es geht um Würde und Hoffnung. Die Männer und Frauen, die seit Sonntag in Tempeln, Schulen, Zelten und anderen Wahllokalen ihr Kreuz machen, sind trotz aller Furcht vor Repressalien gekommen. In den Behörden, Staatsbetrieben und auf dem Lande haben die Funktionäre, die Polizisten und die Soldaten der Regierung massiv damit gedroht, daß, wer „falsch“ wählt, die Konsequenzen zu tragen habe. Und die Roten Khmer haben ihre Vergeltung nicht nur angekündigt: Sie haben in den vergangenen Monaten Wählerausweise konfisziert, sie überfallen und beschießen jetzt Wahllokale. Die WählerInnen sind gekommen, auch wenn sie der Zusicherung der UNO nicht recht glauben können, die Stimmzettel blieben geheim und unverfälscht.

Obwohl die Zerrissenheit des Landes nicht geringer geworden ist, obwohl die Kämpfe und die politische Gewalt in Kambodscha seit Beginn der Friedensmission vor über einem Jahr nicht weniger geworden sind, hat die UNO an den Wahlen festgehalten. Für die KambodschanerInnen ist es unwichtig, welche Gründe die internationale Gemeinschaft dafür hatte – ob sie um jeden Preis vermeiden wollte, ein Scheitern der teuersten UN-Aktion zuzugeben oder ob die Mitglieder des Sicherheitsrates und vor allem die regionalen Nachbarn sich nicht auf einen anderen Weg zur Befriedung Kambodschas einigen konnten. Wie immer die Wahlen ausgehen werden, es wird keine „stabile“ Regierung geben können. Vielleicht wird es möglich sein, eine Regierung zu bilden, die einige Monate hält, gerade genug, um der UNO den raschen Abzug ohne Gesichtsverlust zu erlauben. Dann wird die internationale Gemeinschaft darauf hinweisen, daß die KambodschanerInnen, die jahrzehntelang Stellvertreterkrieg und -bürgerkrieg in ihrem Land erlitten, die Chance nicht ergriffen haben, die ihnen geboten wurde: innerhalb von weniger als zwei Jahren eine zivile Gesellschaft aufzubauen. Dann sind sie ganz verlassen. Jutta Lietsch

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