■ In Böblingen steht der US-Rapper Coolio vor seinen Fans und dem Amtsgericht: Ein netter Typ
Böblingen (taz) – Artis Ivey alias Coolio steht nicht zum ersten Mal vor Gericht, doch daß sich der amerikanische Rap-Star im kleinen Amtsgericht zu Böblingen einmal wegen Beihilfe zum Raub und schwerer Körperverletzung verantworten muß, hätte er sich wohl kaum träumen lassen. Gemeinsam mit seiner Band soll er sich vor einem Jahr am Tag nach einer Autogrammstunde in einer Böblinger Szene-Boutique kostenlos eingekleidet und dabei die Besitzerin verletzt haben.
Die 46.000-Einwohner-Stadt Böblingen ist mit einem Mal nun der Nabel der Welt, denn ein Weltstar stand hier noch nie vor Gericht. Riesenrummel also am Donnerstag morgen, als kurz vor halb neun Uhr der schwarze Jeep mit dem schwarzen Rapper im schwarzen Anzug beim Amtsgericht Böblingen vorfährt. Die Polizei räumt flugs den Weg durch die Absperrungen frei; seine Antennen- Haare erleichtern es den Fans, ihn auszumachen. Tolerant zeigt sich die Lehrerin einer gegenüberliegenden Schule, sie gibt ihren Schülern kurzerhand eine Stunde frei.
Auf dem Weg in das Gerichtsgebäude erzählt Mr. Artis Ivey alias Coolio, alles sei nur ein großes Mißverständnis. „Ich bin ein netter Typ, das wißt ihr doch. Die Leute behandeln mich freundlich und ich sie.“ Die Anklage sieht das anders. Doch zuvor gibt es eine verkürzte Autogrammstunde im Gerichtssaal – der Vorsitzende Richter hat dafür eine halbe Stunde zur Verfügung gestellt.
Dann wird es sachlich. Coolio berichtet von seinen Familienverhältnissen, von seinen sieben Kindern, verteilt auf drei Frauen, von mehr als 100.000 Dollar jährlich zu leistender Unterhaltszahlungen. Und dann äußert er sich ausführlich zum Inhalt der Anklage, schildert die Vorfälle und die Vorgeschichte jenes Zwischenfalls in der Böblinger Boutique und reißt die wenigen Kids, die im Zuschauerraum eine Platzkarte erhaschen konnten, immer wieder zu Begeisterungsäußerungen hin. In freundlichem Ton schildert der Angeklagte, daß er am Tag vor dem Zwischenfall durch Tricks eines Vertreters einer Trendbekleidungsfirma zu einer Autogrammstunde in der Böblinger Boutique beinahe genötigt worden sei. Nur wegen der Fans sei er nicht einfach wieder gefahren. Als dann seine Bandmitglieder die zum Ausgleich versprochene Kleidung holen wollten, sei es zu Auseinandersetzungen gekommen.
Was die Staatsanwaltschaft als Beihilfe zum Raub und schwere Körperverletzung wertet, schildert Coolio ganz anders. Das Temperament geht ihm während seiner Aussage nur einmal durch: als er erzählt, wie sich die Boutiquebesitzerin – die als Nebenklägerin auftritt – ihm und einem 300-Pfund- Kasten von Roadie in den Weg gestellt habe. Da lebt dann der Star auf, so wie ihn die Welt von seinen Videos her kennt, er summt, ja rappt seine Aussage einen kurzen Moment lang.
Ob die auf vier Tage angesetzte Hauptverhandlung auch tatsächlich so lange dauern wird, darf bezweifelt werden, zumal außer Coolio keiner der Mitangeklagten erschienen ist. Coolios Anwalt Georg Prasser, der auch schon Peter Graf verteidigt hat, meint denn auch, hier werde mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Doch seinen Vorwurf, bei einem weniger bekannten Täter mit einem andern Image wäre milder verfahren worden, bestreitet die Sprecherin der Stuttgarter Staatsanwaltschaft, Sabine Mayländer. „Die Staatsanwaltschaft ist schließlich die objektivste Behörde der Welt“, meint sie und merkt an, daß außer ihr nur wenige Kollegen den „Gangsta- Rapper“ Coolio vor dessen „Auftritt“ in Böblingen kannten. Klaus Wittmann
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